Neuburg
Eigenes Konsumverhalten überprüfen

Auftakt zur Ringvorlesung der technischen Hochschule in Neuburg gab kritische Hinweise

14.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:38 Uhr

Vor vollem Haus gab Professor Norbert Gebekke angehenden Bauingenieuren und interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen ersten Einblick in die „Transformation des Bauwesens“. Foto: Wagener

Von Maja Wagener

Neuburg – Das eigene Konsumverhalten überprüfen, das müsse jede und jeder für sich ganz persönlich tun, denn nach Darwin überlebe der, der sich am ehesten an den Wandel anpasst: Das war die überraschende Quintessenz des Auftakts der Ringvorlesung zum Thema „Nachhaltigkeit im Bauwesen“, die neben Studierenden der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) am Campus Neuburg auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern offensteht.

Der Titel der ersten Vorlesung, „Digitale und ökologische Transformation der Bauwirtschaft – eine kritische Reflexion“ gab keinen Hinweis auf das, was Professor Norbert Gebbeken, unter anderem Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer Bau, den Zuhörenden im nahezu voll besetzen Raum in Gebäude Max IV. Josef in der folgenden Stunde weitergab. Wobei, das Stichwort kritische Reflexion gab bereits einen Anhaltspunkt.

„Wir als Bauingenieure beeinflussen alle Bereiche des Lebens“, stellte der Referent fest. Denn der Bausektor trägt stark zum globalen CO2-Ausstoß und zur Abfallproduktion bei. Auf dieser Basis nähert sich der Wissenschaftler im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts gesellschaftlichen Themen und bezieht dabei Klimawandel und Energiewende mit ein. Davon berichtete er nun: „Viele Menschen fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt“, beschrieb er die aktuelle Stimmung. Das führe zu der Radikalisierung von Standpunkten.

So habe es zum Beispiel eine einvernehmliche Entscheidung für den Bau einer Schule in München gegeben. Doch als es um den konkreten Standort ging, entwickelten sich gegensätzliche Positionen, die den Bau schließlich stagnieren ließen, berichtete Norbert Gebekken. Das sei häufig so, wenn Menschen direkt betroffen seien, getreu dem Motto „Not in my backyard“ (nicht in meiner Nachbarschaft). Doch der Wandel sei nicht aufzuhalten: „Kulturlandschaft hat sich immer verändert“, betonte er.

Direkt von Veranstalterin Jana Bochert, Professorin für Bauinformatik, Baumechanik und Grundlagen des Bauingenieurwesens an der THI , angesprochen, fassten sich die „potentiellen Mitgestalter“, wie Gebbeken die Studierenden zuvor genannt hatte, an die eigene Nase: „Dass man sich fragt ‘Brauch ich das?‘, passiert oft nicht“, nahm ein Student Bezug auf die Forderung Gebekkens, eigene Dinge zu nutzen, kaputte zu reparieren und kritisch zu konsumieren.

Ein weiterer erklärte: „Wir müssen im Grunde unser ganzes Wirtschaftssystem, wie es jetzt existiert, einstampfen.“ Weltweit würde der Wohlstand am Wachstum der Volkswirtschaft gemessen, stimmte ihm Norbert Gebekken zu: „Das hat keinen Bestand mehr.“ 2,2 Milliarden Menschen seien auf der Welt von einer Grundversorgung abgeschnitten. „Das kann so nicht weitergehen“, machte er deutlich.

Neue Baustoffe, die klimaneutral seien, andere Lebenszyklen von Gebäuden und auch eine andere Art der Zusammenarbeit seien in Zukunft notwendig. Weg von dem Gegeneinander, das oft zwischen den unterschiedlichen Bereichen – zum Beispiel zwischen Architekten und Bauingenieuren – herrsche, machte der Niedersachse klar: „Wir müssen erkennen, dass jeder unterschiedliche Talente in unterschiedlichen Bereichen hat, und uns dann zusammentun.“

Es gebe globale Herausforderungen, für die wir für unsere Kinder und Enkel Lösungen finden müssten, machte Gebekken deutlich. Doch das müsse bald geschehen: „Unser Planet wartet nicht, bis wir gute Lösungen finden.“

Der Auftakt der Ringvorlesung war auch für Fachfremde gut verständlich und informativ. Die für alle Interessierten offenen Vorlesungen bieten bis zum 24. Januar 2023 jeden Dienstag einen Vortrag rund um das Thema „Nachhaltigkeit im Bauwesen“. Beginn ist jeweils um 18.15 Uhr am Campus Neuburg .

DK