„Das waren echte Europäer“
Bedeutender Fund einer großen präkeltischen Siedlung am Stätteberg

07.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:58 Uhr

Beeindruckende Funde: Das Team um das Professoren-Ehepaar Carola Metzner-Nebelsick und Louis Nebelsick ist bereits seit drei Jahren in Unterhausen zugange. Foto: S. Hofmann

Es ist ein Sensationsfund, und das soll nach dem Willen der Wissenschaftler auch in die Öffentlichkeit getragen werden: Bei Unterhausen (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) hat ein Archäologenteam die Reste eine der größten Burgen aus der Bronzezeit nördlich der Alpen gefunden.



Bereits im dritten Jahr finden Lehrgrabungen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) dort statt – und auch heuer hat das Team um Archäologie-Professorin Carola Metzner-Nebelsick bemerkenswerte Funde in der Befestigung gemacht, die noch aus der Zeit vor den Kelten stammen.

Der Stätteberg bei Unterhausen galt lange als frühere Römersiedlung – einen entsprechenden Namen trug er auch. Grund war, dass bei früheren Grabungen in dem Areal Stücke gefunden worden waren, die man seinerzeit für Ziegelreste gehalten hatte. Bekanntlich waren die Römer das erste Volk, das diese Steine brannte und damit Häuser baute. Allerdings haben Carola Metzner-Nebelsick und ihr Mann, Professor Louis Nebelsick von der Kardinal-Stefan-Wyszyski-Universität Warschau, vor zwei Jahren herausgefunden: Die Siedlung stammt aus dem 14. oder 13. Jahrhundert vor Christi Geburt, ist also weit älter als die römischen Siedlungen in der Gegend.

Für das Volk, das damals auf dem Stätteberg oberhalb der Donau lebte, gibt es keinen Namen. „Wir wissen nicht, wie sich die Menschen nannten, weil es keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt. Die Menschen haben damals noch nicht geschrieben“, erklärt Metzner-Nebelsick. Ihr wissenschaftlicher Assistent, Kenn Massy, findet aber: „Es waren echte Europäer.“ Damit bezieht er sich auf das Genom der Menschen, die vor rund 3500 Jahren bei Unterhausen gelebt haben. Metzner-Nebelsick erläutert: „Die Menschen waren in der Bronzezeit unheimlich mobil und vernetzt.“ Deshalb unterscheide sich das Genom der Menschen damals wahrscheinlich kaum von dem der heutigen. Oder anders gesagt: „Wahrscheinlich haben sie ausgesehen wie du und ich“, so die Professorin.

Allein die Größe ist ein besonderes Merkmal

Rund 86 Hektar umfasst die Fläche, die das internationale Grabungsteam – Professoren und Studierende stammen aus Deutschland, Belgien, Griechenland, Italien, Polen und den USA – absucht. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Teil einer ehemals zwei Meter hohen Wehrmauer freigelegt, heuer hatten sich die Wissenschaftler zwischen 8. und 26. August an die Erkundung von deren Rückseite gemacht. Dabei stellten sie verblüfft fest, dass diese genauso schön ausgestaltet war wie der nach außen hin sichtbare Teil. „Das ist schon erstaunlich. Normalerweise heißt es außen hui, innen pfui“, erklärt Louis Nebelsick.

Allein die schiere Größe der Anlage – die verschiedenen Wehrmauern sind zusammen mehrere Kilometer lang – weist auf eine besondere Bedeutung des Ortes hin, der heute Unterhausen heißt. Der Stätteberg, auf dem nun ein Wald steht, war vor rund 3500 Jahren komplett gerodet. Noch dazu beweisen die Mauern, dass es dort steinerne Architektur im großen Stil gegeben hat, wohingegen normale Weiler und Gehöfte aus einfachen Holzbauten bestanden hatten. Noch dazu haben die Archäologen bereits einen sogenannten Feuerplatz entdeckt. Scherben- und Knochenfunde legen nahe, dass dort wahrscheinlich rituelle Brandopfer dargebracht worden waren. „Das muss weithin sichtbar gewesen sein, wenn dort ein Feuer gebrannt hat. Es war definitiv ein besonderer Ort“, ist sich Carola Metzner-Nebelsick der Bedeutung der „spektakulären Befestigungsanlage“ sicher.

Den irrtümlichen Schluss einer Grabung im Jahr 1951, es hätte sich bei der Siedlung um eine römische gehandelt, kann die Professorin auch erklären: Die gefundenen Ziegelreste sind nämlich gar keine. Vielmehr handelt es sich um Lehm, den das namenlose Volk beim Bau seiner Mauern verwendet hatte. Durch ein großes Feuer sei dieser dann gebrannt worden und habe Ähnlichkeit mit römischen Ziegelresten bekommen.

Siedlung wurde wohl angegriffen

Dass dieses große Feuer mit Absicht gelegt worden war, dessen sind sich die Wissenschaftler mittlerweile ziemlich sicher. Sie gehen davon aus, dass die Burganlage regelrecht geschleift wurde, haben sie doch Brandspuren an allen bisher freigelegten Mauerteilen gefunden. Vom 14. auf das 13. Jahrhundert vor Christus habe es unruhige Zeiten gegeben, die Gesellschaft sei im Wandel gewesen – auch durch neue Erfindungen. Dazu gehörten, wie Metzner-Nebelsick berichtet, unter anderem bronzene Brustpanzer und Helme für Soldaten. Darum gehen sie und ihr Team auch von einem Angriff auf die Anlage aus, die danach verlassen und nie wieder besiedelt wurde.

Für heuer ist mit den Lehrgrabungen Schluss, in den kommenden beiden Sommern wollen Metzner-Nebelsick und ihr Team allerdings wieder kommen, so lange laufen die entsprechenden Verträge. Was danach passiert, steht bislang nicht fest, denn das Professoren-Ehepaar betreibt die Grabungen quasi ehrenamtlich in seiner Freizeit, finanziert wird die Grabung wegen ihres Lehrcharakters für Studierende von den Universitäten.

Ob die Wehranlage einmal vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Louis Nebelsick meint: „Die Gemeinde müsste da ordentlich investieren, das ist nicht ohne. Aber das ist eher ein Fall für die Tourismus-Experten als für Archäologen.“

DK