War’s das jetzt für ihn mit höherklassigem Fußball? Daniel Witetschek beantwortet diese Frage mit einem Achselzucken. Aber dass er seine Zelte beim Bayernligisten FC Pipinsried mit sofortiger Wirkung abbricht, das ist auf jeden Fall schon mal Fakt.
Also keine Rückkehr zu den Gelb-Blauen in der Winterpause, wie es ursprünglich geheißen hatte. „Die Prioritäten in meinem Leben haben sich ganz einfach geändert“, so der aus Schrobenhausen stammende Keeper: „Meine Schreinermeisterschule erfolgreich abzuschließen, das ist für mich jetzt ohne Wenn und Aber das Wichtigste – und das erfordert bis zum Ende des Jahres 2025 meine volle Konzentration. Ich habe bis dahin schlichtweg keine Zeit mehr für Fußball auf hohem Niveau. Beziehungsweise auch keinen Kopf und keine Lust, das wurde mir in den vergangenen Wochen immer klarer.“
Horrorverletzung hatte letztlich auch etwas Gutes
Der sonstige Gutelaunemensch, der eigentlich immer ein schelmisches Lächeln auf dem Lippen hat – er ist nachdenklicher geworden. Beziehungsweise reifer, erwachsener. Was hatte Witetschek nicht schon alles für den Fußball geopfert. Seine Jahre als Teenager: Der mittlerweile 24-Jährige verbrachte sie im Nachwuchsleistungszentrum des ruhmreichen FC Augsburg – immer mit dem Traum vor Augen, es irgendwann vielleicht sogar zum Profi zu schaffen. Solche Schönheiten des Lebens wie spontane Reisen, ausgiebige Feten – Witetschek, der lange Zeit alles seinem großen Hobby unterordnete, kannte das schlichtweg gar nicht.
Zumindest bis ins Jahr 2024 – bis er aufgrund einer komplizierten Schulteroperation zunächst mal komplett raus in Sachen Fußball war. Auf einmal ging es nun, zum Beispiel schnell mal einen Wochenendtrip nach Berlin einzulegen – während der FCP zeitgleich um Bayernligapunkte kickte. Und das machte etwas mit Witetschek. „Natürlich hatte ich schon immer gewusst, dass das Leben sehr wohl viel mehr zu bieten hat als nur Schule, Beruf und Fußball“, so der Schrobenhausener: „Aber wirklich kennengelernt habe ich diese andere Seite des Lebens erst jetzt. Und ich muss zugeben, dass diese andere Seite auch ausgesprochen schön ist.“
Mit anderen Worten: So bitter seine vor rund zwölf Monaten erlittene Horrorverletzung an der linken Schulter auch war – sie brachte Witetschek, den alle nur „Witte“ nennen, nicht nur Schlechtes. So hatte der 24-Jährige plötzlich viel Zeit, um nachdenken zu können. Über sich selbst, aber auch über seinen eigentlich so geliebten Sport an sich. „Ganz allgemein bist du im höherklassigen Fußball immer nur eine Nummer“, so eine Erkenntnis des Schrobenhauseners: „Wenn du funktionierst und deine Leistung bringst, klopfen dir alle auf die Schulter. Aber wenn nicht, dann bist du schnell weg vom Fenster, wirst ausgetauscht. So etwas wie Dank für all den Stress, den du dir außerhalb des Vereins antust, um höherklassig kicken zu dürfen – das gibt es nicht.“
Witetschek sagt das nicht irgendwie enttäuscht oder gar verärgert. „Es ist halt einfach so“, erklärt der Keeper, der es im Laufe seiner Karriere auf immerhin 57 Bundesligapartien bei den A- beziehungsweise B-Junioren gebracht hat. Und er konnte bislang auch sehr gut mit diesem System leben, hatte sogar eine Menge Spaß dabei. „Bloß jetzt bin ich an den Punkt gekommen, wo ich sage, dass ich noch etwas anderes in meinem Leben haben möchte als nur zu arbeiten, zu lernen und zu Trainings zu hetzen.“
Dem „Spezl“ wird weiterhin auf die Finger geschaut
Also kam der 24-Jährige vor einigen Tagen auf Johannes Müller zu und teilte dem Sportlichen Leiter des FC Pipinsried sehr offen seine aktuellen Gedanken bezüglich des Fußballs mit. „Jeder, der mich kennt, der weiß, dass wenn ich etwas mache, das immer zu 100 Prozent tun möchte“, sagt Witetschek: „Und das ist beim FCP in Anbetracht der derzeitigen Umstände schlichtweg nicht möglich.“ Die Konsequenz daraus ist nun eben, dass der Keeper nach der Winterpause nicht mehr zum Pipinsrieder Kader zählen wird.
„,Jochi‘ hat für meinen Entschluss großes Verständnis aufgebracht, dafür bin ich ihm sehr dankbar“, betont Witetschek. Ja, er verlässt den FCP hundertprozentig im Guten. „Und ich bin nun auch nur als aktiver Spieler weg“, sagt der 24-Jährige: „Es war für mich eine tolle Zeit in Pipinsried – und ich werde, wann immer es mir möglich ist, die dortigen Heimspiele auch weiterhin besuchen. Ich muss das ja sogar förmlich tun, schließlich spielt mit Tim Greifeneger weiterhin einer meiner allerbesten Spezln beim FCP. Da gehört es sich einfach, dass ich ihm regelmäßig auf die Finger schaue.“
Und ja, plötzlich ist es wieder da: dieses unverwechselbar schelmische Grinsen von „Witte“. Stellt sich nur die Frage, ob Greifenegger im Umkehrschluss nach der Winterpause öfter mal beim SV Steingriff zuschaut. Denn für jenen wird ab dem Januar sein Kumpel aus Schrobenhausen kicken. „Mit meinem Cousin Tobias Wintermayr, der dort schon seit vielen Jahren spielt, habe ich immer wieder mal darüber geflachst, dass ich irgendwann ebenfalls zum SVS wechseln könnte, um mit ihm gemeinsam für Furore zu sorgen“, so Witetschek: „Und jetzt wird aus dem bisherigen Spaß tatsächlich Ernst.“
Debüt bei den Lila-Weißen schon in der Halle?
Der einstige Regionalliga- beziehungsweise Bayernligakeeper bald im Trikot des Kreisklassisten: Damit ist den Lila-Weißen definitiv ein dicker Fisch ins Netz gegangen. Und das, ohne danach geangelt zu haben. „Komplett ohne Fußball geht’s für mich halt doch nicht“, betont der 24-Jährige: „Allerdings möchte ich nur mehr rein aus Spaß kicken – das Ganze am besten mit vielen Leuten, die ich bereits gut kenne und bei denen ich weiß, dass dort eine richtig tolle Atmosphäre herrscht. Genau das ist beim SVS der Fall, also hat er mich zumindest mal das erste Halbjahr 2025 an der Backe.“
Und wieder lächelt der Schrobenhausener. Wobei, eine Sache ist ihm noch enorm wichtig: Er wird bei den Steingriffern nicht den Torhüterposten übernehmen, sondern als Feldspieler fungieren. „Es war zugegebenermaßen schon immer schön, zwischen den Pfosten zu stehen. Aber jetzt will ich die Kugel gerne öfter am Fuß haben“, erzählt Witetschek. Bloß auf welcher Position genau? „Das werden die SVS-Trainer entscheiden“, so der 24-Jährige bescheiden: „Aber wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich mich eher offensiv sowie im Zentrum sehen – weniger auf den Außenbahnen.“
Geht es nach Witetschek, dann wird er bereits am 6. Januar – beim großen Turnier um den Schrobenhausener Sparkassencup – sein Debüt im lila-weißen Trikot feiern. „Hallenfußball hat mir schon immer toll gefallen“, gibt er gerne zu. Und dann wäre da noch die bereits anfangs gestellte Frage, ob es das jetzt für ihn schon endgültig mit höherklassigem Fußball gewesen ist? „Na ja, komplett abgeschlossen habe ich damit vielleicht doch noch nicht“, räumt „Witte“ ein: „Aber zumindest im Jahr 2025 habe ich definitiv keinen Kopf dafür.“
SZ
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