Neuburg
Das Enfant terrible des Königshauses

EIN LANDKREIS – 50 ERLEBNISSE (Teil 21): Maria Leopoldine hat in Stepperg ein Landgut errichtet

10.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:25 Uhr

Maria Leopoldine hat von Stepperg aus viel Gutes bewirkt. Fotos: Landkreisgästeführer/DK-Archiv

Etwa neun Kilometer westlich von Neuburg liegt direkt an der Donau und am Eingang zum Urdonautal der Ort Stepperg, der heute zur Marktgemeinde Rennertshofen gehört. An der Pfarrkirche St. Michael beginnt unser Spaziergang „Auf den Spuren von Maria Leopoldine“, dem sich Landkreisgästeführerin Christa Söllner (Foto) in diesem Teil unserer Serie widmet.

Für die Kirche haben seit 1700 die Hofmarksherren von Stepperg das Patronatsrecht. Die heutige Kirche ist durch Gabriel von Seidl erbaut worden und stammt aus dem Jahr 1907. Es gab allerdings schon eine Vorgängerkirche, da der Turm vom Jahr 1731 datiert. Gleich nebenan befindet sich das Schloss der Grafen von Moy. Dessen Hauptbau wurde im 16. Jahrhundert von Augsburger Welsern erbaut. Um 1801/1802 erwarb Kurfürstin Marie Leopoldine das Schloss.

Zu Marie Leopoldine, die für kurze Zeit die Geschicke Bayerns in der Hand hielt, sind zahlreiche Geschichten, Gerüchte und Legenden überliefert. Sie war zweifellos eine der aufregendsten und interessantesten Frauen an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert.

Ihre Wiege stand in Norditalien, wo sie 1776 in Mailand geboren wurde. Ihr Vater war Erzherzog Ferdinand von Österreich, ihre Mutter Maria Beatrice, die reiche Erbin der Herzogtümer Este Modena, Massa und Carrara.

Die Kindheit und Jugendjahre, die Maria Leopoldine gemeinsam mit sieben Geschwistern verbrachte, waren glücklich. Ihre Großmutter, die Kaiserin Maria Theresia, kümmerte sich persönlich um die Ausbildung ihrer Enkel indem sie die Erzieher selbst auswählte, damit die Geschwister nach den Prinzipien des kaiserlichen Hofes in Wien erzogen wurden.

Bereits im jugendlichen Alter von 18 Jahren wurde sie mit dem 71-jährigen greisen bayerischen Kurfürsten Karl Theodor verheiratet. Die junge Prinzessin sollte dem Kurfürsten einerseits den ersehnten Thronfolger schenken, andererseits den langjährigen bisher erfolglosen Wiener Tauschplänen zum Erfolg verhelfen. Die ungleiche Verbindung erschien selbst Zeitgenossen als sehr seltsam, obwohl man zu dieser Zeit doch einiges gewohnt war, was das Heiraten anbelangt. Eine Anekdote kursierte, von Karl Theodor selbst als Rätsel in Szene gesetzt: „Was ist das, ich hab’s hinten und meine Frau hat’s vorn?“ Er gab selbst die Antwort: „ Sie hat den Strichel vorn und ich hinten – den Einser bei 18 und 71.“

Vier Jahre dauerte die Ehe voller gegenseitiger Kränkungen. Der Kinderwunsch erfüllte sich nicht, die junge Kurfürstin suchte sich ihren Freundes- und Bekanntenkreis selber aus. Ihrer Familie und den Habsburgern gab sie die Schuld für den Heiratszwang. Sie pflegte dafür einen vertrauensvollen Umgang mit den Wittelsbachern, mit Maximilian IV. Joseph, Herzog von Pfalz-Zweibrücken, der als Nachfolger Karl Theodors galt.

Wie sehr ihr Verhältnis zu den Habsburgern gestört war, zeigt die Anekdote: Als der Kurfürst im Sterben lag, verhinderte Maria Leopoldine den Versuch des österreichischen Gesandten, ihren Ehemann im letzten Moment zum Tausch Bayerns gegen die Niederlande zu bewegen. Sie sorgte dafür, dass Max Joseph umgehend nach München kam und ebnete diesem so schnell den Weg zur Übernahme der Macht in Bayern. Seither genoss Maria Leopoldine zeitlebens eine privilegierte Sonderstellung am Hofe der Wittelsbacher.

Ehe mit Ludwig Graf von Arco

1801 kaufte sie das Landgut Stepperg. Hier beschäftigte sie sich mit der heruntergekommenen Landwirtschaft und befasste sich mit dem Brauereiwesen. Sie legte in den Stepperger Jahren die Grundlagen ihrer geschäftlichen Existenz und entwickelte sich zu einer knallharten Geschäftsfrau, was in diesem Zeitabschnitt Männern vorbehalten war. Durch die Säkularisation wurden viele Klosterbrauereien zum Teil mit ihren Ökonomien verkauft, die sie erwarb, etwa Freising und die Inselbrauerei in Neuburg. Sie handelte mit Grundstücken, Immobilien und Wertpapieren. Ihr Besitztum brachte ihr den Ruf ein, die reichste Frau Bayerns zu sein.

1804 ging sie eine Ehe mit Ludwig Graf von Arco ein, der aus einer norditalienischen Adelsfamilie stammte. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor. Aloys Graf von Arco-Stepperg, und Maximilian Graf von Arco-Zinneberg sowie die Tochter Caroline, die jedoch bereits drei Wochen nach der Geburt gestorben ist. Ihre Söhne stattete sie mit reichen Besitztümern und Adelspalais in München aus. Sie errichtete Majorate, nach dem Ältestenrecht zu vererbendes Gut, damit sie in die Kammer der Reichsräte aufgenommen werden konnten.

Maria Leopoldine förderte außerdem den Aufbau des Ordens der Elisabethinerinnen in Neuburg, baute eine Krankenanstalt, richtete für ihre Untertanen Suppenküchen und beheizbare Krankenstuben ein. Sie hatte viele Adoptivkinder, die sie bis zu deren Heirat versorgte. Waisenkinder ihrer Untergebenen hat sie ebenfalls erziehen lassen und mit einer Aussteuer ausgestattet. Ihr zu Ehren wurde in Neuburg die Leopoldineninsel, die einzige bebaute Insel in der deutschen Donau, benannt.

Letzte Ruhe in eigens errichteter Gruft

Im Jahr 1848 verunglückte Maria Leopoldine auf einer Reise in Richtung Salzburg bei Wasserburg am Inn. Ihre Kutsche kollidierte mit einem entgegenkommenden Fuhrwerk. Sie konnte zwar noch lebend aus dem Wrack befreit werden, brach jedoch kurz darauf tot zusammen. Ihre letzte Ruhestätte fand sie erst in der Servischen Gruft in Stepperg neben ihrer Tochter. Auf Anordnung ihres Sohnes Aloys Graf von Arco-Stepperg wurde die Gruftkapelle auf dem Antoniberg errichtet. Dort liegt Maria Lepoldine seit 1855.

Sie war für die damalige Zeit eine besondere Frau, außerordentlich geschäftstüchtig, unabhängig, lebenslustig und sowohl unermesslich reich als auch außerordentlich geizig – „Das Enfant terrible des Königshauses“, wie Sylvia Krauss-Meyl ihre Biografie über Maria Leopoldine titulierte.

DK