Winkelhausen
Comedy-Feuerwerk mit Chris Boettcher

Gags über Prominente und Alltägliches im Minutentakt bescheren Lachen ohne Pause

16.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:20 Uhr

Ob Peter Maffay, Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Howard Carpendale, Oliver Kahn oder Angela Merkel: Mit prägnanter Mimik und Gestik sowie perfekt imitierter Sprechweise lässt Chris Boettcher sie alle auf seiner Bühne lebendig werden. Foto: Budke

Von Heidrun Budke

Winkelhausen – Was macht ein Star der deutschen Comedy-Szene im kleinen Winkelhausen? Die Antwort ist ganz einfach: Sein Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde des Auftritts blendend unterhalten. In jedem Vers – egal, ob gesungen oder als Gedicht vorgetragen – steckte ein Gag und die Größen aus Politik, Unterhaltung oder Sport wurden auf der Bühne lebendig. Chris Boettcher gönnte den Lachmuskeln der Zuschauer am Freitagabend keine Pause.

„Der Applaus ist das Brot des Künstlers – deshalb bin ich so dünn“, kokettierte Chris Boettcher mit dem Publikum zu Beginn seines Auftrittes. Am Ende des Abends aus der Reihe „Kultur im Winkel“ war allerdings klar: Wenn Applaus dick machen würde, dann würde die Kleidergröße von Boettcher ein paar Nummern über seiner jetzigen liegen. „Ich hatte schon mehr Zuschauer“, meinte Boettcher beim Blick von der Bühne auf den zwar gut, aber doch in lockeren Reihen besetzten Saal, „aber die, die nicht da sind, sind mir Wurscht – ihr seid wichtig“, stellte er mit wenigen Worten gleich eine Verbindung zum Publikum her. Und die blieb während der beinahe zwei Stunden, die Boettcher auf der Bühne stand, bestehen: Die Leute klatschten mit, komplettierten Refrains, lachten und hatten ungeheuer viel Spaß.

Sicher mögen „10 Meter gehen“, Boettchers Löw-Parodie oder sein Pubertäts-Song allseits bekannt sein ebenso wie die Imitation von Oliver Kahn, die mit „immer dieser Druck“ dem Programm seinen Namen gegeben hat. Doch tatsächlich ist es so, dass es keine herausstechenden Highlights gibt, sondern das Publikum aus dem Lachen einfach nicht herauskommt. Ursache ist das Feuerwerk an komischen Ideen, das Boettcher zündet und mit punktgenauer Mimik und Gestik sowie treffsicherer Stimmenimitation ohne Unterbrechung abfeuert.

Das beginnt mit den speziellen Liedern zum Oktoberfest, bei denen Boettcher bekannte Songs umdichtet: Mit „Resi, ich hol dich mit der Maske ab“ oder „am Sonntag will meine Süße mit mir impfen gehen“ geht es von der Pandemie nahtlos über zu bekannten Politikern, etwa dem ungarischen Viktor Orban mit „ein Zaun, der meinen Namen trägt“ oder Gerhard Schröder mit „ich will Spaß, ich will Gas“ weiter über den Dieselskandal, den Vatikan und Bundeskanzler Olaf Scholz. Beeindruckend, wie es Boettcher schafft, in einer einzigen Strophe ein Thema auf den Punkt zu bringen. Irgendwie gelingt ihm vom Oktoberfest eine Schleife über Oliver Kahn zu den Musikern Peter Maffay, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg. Die Herren werden im folgenden Programm noch öfter zu sehen und zu hören sein, unter anderem geht es um die Altersbeschwerden: „Klosterfrau Melissengeist ist der neue Aperol Spritz“, stellt Boettcher fest. Genial ist, wie er Grönemeyers poetisch klingende Texte inhaltlich als Unsinn entlarvt oder wie er Maffay und Lindenberg auf der Bühne allein durch Gesichtsausdrücke lebendig werden lässt.

Doch nicht nur Promis karikiert er treffend, auch das ganz normale Leben nimmt er gelungen aufs Korn. Seine Lieder wechseln sich auf der Bühne ab mit Gedichten, die er aus einer selbstzusammengeklebten Kladde vorliest. Jenes zum Muttertag zum Beispiel, das mit einem traumhaften Frühstück beginnt, sich für die Mutter jedoch genau als das erweist: ein Traum. Dagegen haben uns „wir Männer den Vatertag schon so gezogen, wie wir ihn schätzen“ – klar geht es um den Stammtisch, viel Bier und zu wenig Sex. „Bald fang ich an mit Sport“, teilt Boettcher den guten Vorsatz vieler, denn eine Diät sei fällig, „wenn sich das dickste Flusspferd im Zoo gleich in dich verliebt“. Er singt einen Song über einen depressiven Animateur, der eigentlich gar keine Touristen mag, findet „Kochshows blöder als Anziehshows“ und plädiert für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen.

Eigentlich lässt Boettcher überhaupt kein Thema aus – wenn es überhaupt Höhepunkte in dem so unglaublich kurzweiligen Programm gibt, dann waren das am Freitag vielleicht seine Aiwanger-Parodie und die Versuche, Jugendsprache ins Hochdeutsche zu übersetzen. Das alles gelingt auch deshalb, weil Chris Boettcher ein außergewöhnlich guter Musiker und Sänger ist. So macht er am Ende des Auftrittes in Winkelhausen Werbung in eigener Sache: Er hat eine Bigband aus 17 Musikern zusammengestellt, mit der er Anfang August im Brunnenhof der Residenz in München Premiere haben wird. Eine seiner Zugaben war ein Song aus dem Programm. Obwohl das eine ganz andere Nummer war als Comedy – gefühlvoller und zugleich typisch-bombastischer Bigband-Sound – erntete er bewundernde Zurufe und reichlich Applaus.

SZ