Charly Antolini kann’s nicht lassen

Mit seiner „Jazz Family 23“ gastierte der 85-jährige Schweizer Schlagzeuger im Neuburger Birdland

05.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:48 Uhr

Charly Antolini hat den Jazz auf unnachahmliche Art geprägt. Im Birdland gab’s Standing Ovations für den 85-Jährigen. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Neuburg – „Bist du auch wirklich sicher, dass du dir das nochmal antun willst?“, hatte ihn seine Gattin nach einem Herzinfarkt vor zwei Jahren gefragt. In der Tat, nach 64 Jahren als professioneller Schlagzeuger hatte Charly Antolini eigentlich Stöcke und Besen bereits für immer aus der Hand gelegt. Aber einer wie er, der sich ein Leben lang auf einem permanenten Kreuzzug für seinen geliebten Swing befand, kann’s einfach nicht lassen. Zum Glück!

Nun ist er wieder mal im Birdland zu Gast, „dem schönsten Jazzclub Deutschlands“, wie er sagt. Diesmal mit seiner „Jazz Family 23“. Es ist ein Heimspiel, der Laden ist proppenvoll, die Stimmung bestens, und Antolini wird dafür sorgen, dass das auch so bleibt, bis es nach zwei Zugaben bereits auf Mitternacht zugeht. Er muss sich und seinen Fans im Saal nichts mehr beweisen, höchstens die Tatsache, dass ihm sein Beruf nach wie vor jede Menge Spaß macht. Seine Begleiter, Rocky Knauer am Kontrabass, der vielseitige Florian Riedl am Altsaxofon und der hervorragende Pianist Martin Bublath mit seinem flüssigen Spiel, unterstützen ihn dabei, aber bei den ersten Nummern merkt man irgendwie schon noch, dass ihr Chef, Organisator, Pulsgeber und Spaßmacher in Personalunion im Mai 86 Jahre alt wird. Der Beginn ist noch zurückhaltend, aber anstatt während der dann folgenden knapp drei Stunden Ermüdungserscheinungen zu zeigen oder sich Auszeiten zu gönnen, wird sein Spiel im Verlauf des Abends im Gegenteil immer geschmeidiger, druck- und kraftvoller, mitreißender. Als dann nach einem Vorlauf von vier Stücken auch noch Max „Scat“ Neissendorfer als Sänger und Scatter das Line-up komplettiert, ist die Band endgültig auf Betriebstemperatur und Antolini in seinem Element, reißt Witze mit dem Publikum, erzählt ein paar Anekdoten und demonstriert, wie man die körperliche Anstrengung des Drummings auch noch in diesem Alter fast mühelos bewältigen kann, wenn man über eine so blendende Technik verfügt wie er.

Antolini ist einer der wenigen Europäer, die in den berühmten Bands von Lionel Hampton und Benny Goodman gespielt haben. In der Tradition so namhafter Power-Drummer des Swing wie Louis Bellson, Buddy Rich und Gene Krupa stehend, ist jene Spielart des Jazz sein Lebenselixier, die Musik, an der – Infarkt hin oder her – sein Herz hängt, die er mit Herzblut füllt, die er liebt, die für ihn die Welt ist, in der er sich wohl und aufgehoben fühlt. Nicht umsonst nennt er seine Band „Jazz Family“. Und er ist ein Überzeugungstäter, der andere für seine große Leidenschaft begeistern kann. Die Standing Ovations nach der zweiten Zugabe kommen nicht von ungefähr.

DK