Karlshuld
Betroffene bangen um ihre Existenz

Bundeswehr hat nach zehn Jahren immer noch keine Lösung für Giftstoffe im Grundwasser

18.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:24 Uhr

Zehn Jahre sprächen für sich, brachte Hildegard Weis die Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger bei der Veranstaltung auf den Punkt. Fotos: Wagener

Von Maja Wagener

Karlshuld – Die Bundeswehr übernimmt die volle Verantwortung für die Belastung des Fliegerhorsts in Zell mit gefährlichen Giftstoffen, den sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS): „Es steht völlig außer Frage, dass die Bundeswehr Verursacher ist“, sagte Thomas Huemer vom Bundesministerium der Verteidigung bei der Bürgerinformationsversammlung in der voll besetzten Mehrzweckhalle in Karlshuld. Dass das bisher nur für den Bereich des Flugplatzes selbst gilt, wurde im Laufe des Abends deutlich. „Zehn Jahre und keine Lösung – das spricht für sich“, brachte Hildegard Weis, Ortsbeauftragte des Neuburger Stadtteils Marienheim die Enttäuschung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger auf den Punkt.

Seit mindestens zehn Jahren sei bekannt, dass die Belastung mit giftigen Chemikalien auf dem Nato-Flugplatz in Zell da sei, hatte Landrat Peter von der Grün zuvor ins Thema des Abends eingeführt. Die Chemikalien PFAS, die im Löschschaum enthalten waren, den unter anderem die Bundeswehr bis 2007 völlig legal eingesetzt hat, kontaminieren Boden und Grundwasser (wir berichteten).

Letzteres bahnt sich seinen Weg deutlich schneller als ursprünglich gedacht – die Experten gehen von 800 bis 1350 Metern im Jahr aus – und hat das Flughafengelände schon längst in Richtung umliegende Siedlungen verlassen. Doch bisher hat die Bundeswehr noch keine Maßnahmen zur Eindämmung getroffen. Sie befindet sich immer noch in Phase II der dreistufigen Vorgehensweise, eine Phase der Untersuchungen. Erst Phase III wende sich der Sanierung mit konkreten Maßnahmen zu, machte Thomas Backes vom Kompetenzzentrum für Bau und Infrastruktur der Bundeswehr in München deutlich.

Gerade werde untersucht, wie Grundflächen- und Oberflächenwasser miteinander korrespondiere, so Backes. Im Verlauf des Abends wurde klar: Bei den Liegenschaften außerhalb des militärischen Gebiets geht es letztlich darum, ob die Bundeswehr auch Verursacher für die Kontamination der Trinkwasserbrunnen und des Grundwassers ist. Man warte noch auf die Ergebnisse der Untersuchungen.

Die betreffen auch Schadensersatzforderungen, die daraus entstehen würden. Denn das kontaminierte Wasser beeinträchtigt Lebensmittel, die zum Teil nicht mehr zum Verzehr geeignet sind. Besonders Fisch, Hühnereier und Salat seien betroffen, wusste Veterinäramtsleiter Johannes Riedl. So wurden in allen von ihm in den betroffenen Gebieten genommenen Proben von Aal und Karpfen – acht insgesamt – die Giftstoffe nachgewiesen, in drei davon in erhöhten Werten: „Dafür gibt es keine Verzehrempfehlung“, machte Riedl deutlich.

Würden die Tiere mit Trinkwasser versorgt, gehe die Belastung zurück, sagte er. Kostenfreies Wasser für Gärten und Tiere forderte deshalb Alexandra Plenk, Ortssprecherin von Bruck, und eine Öffnungsklausel für die entstandenen und entstehenden Schäden, denn: „Sauberes Wasser ist lebenswichtig und laut Uno-Resolution ein Menschenrecht.“

Ein Landwirt, in dessen Brunnen die Chemikalien bereits nachgewiesen wurden, klagte: „Sie nehmen zur Kenntnis, dass jeden Tag gefährliche Stoffe entweichen.“ Ein Vorsitzender eines Fischereivereins schilderte sein Dilemma: „Wir haben einen Teich, dürfen aber nicht angeln, weil wir den Fisch nicht verzehren können.“

Seine Frage, wer für den so entstandenen Schaden aufkomme, wurde von einem weiteren Landwirt verschärft. Der hat seinen Hof gerade an seinen Sohn übergeben. Nun sorgt sich der Altbauer, dass sein Nachfolger auf den landwirtschaftlichen Erzeugnissen sitzenbleiben könnte und ihm so die Existenz entzogen werde.

„Übernehmen Sie auch ursächliche Verantwortung, dass PFAS in Lebensmitteln drin ist?“, hakte Riedl nach. „Wenn ein Zusammenhang vorliegt, übernimmt die Bundeswehr die Verantwortung“, stellte Backes fest.

Alle Betroffenen wies Thomas Huemer darauf hin, dass sie die Möglichkeit haben, bis zum 31. Dezember 2024 individuelle Vereinbarungen mit der Bundeswehr zu treffen, die Verjährungsfrist für Schadensersatzforderungen auszusetzen. Dafür sei das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Bonn zuständig, sagte Backes.

Grundsätzlich solle die Verjährung allgemein ausgesetzt werden, so der Landrat, der appellierte: „Stellen Sie Anträge!“ Schließlich forderte er resolut vom Bund, den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger ernstzunehmen: „Es wird endlich mal Zeit, dass was gemacht wird.“

DK