Seltene Krankheiten sind häufiger als man denkt. Eine davon ist das Bardet-Biedl-Syndrom, das jetzt bei einer Informationsveranstaltung in Schrobenhausen im Mittelpunkt stand.
„Etwa 650000 Menschen in Bayern leiden an einer seltenen Erkrankung und fristen häufig ein Dasein im Schatten der medizinischen sowie öffentlichen Aufmerksamkeit. Das möchte ich ändern und die Betroffenen im Rahmen der Kampagne Seltene Erkrankungen Bayern, SEB, in das Licht der Öffentlichkeit und Forschungslandschaft rücken“, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Erich Irlstorfer in seiner Begrüßung bei der 20. Informationsveranstaltung der Reihe, die jetzt in Schrobenhausen stattgefunden hat. Diesmal stand das Bardet-Biedl-Syndrom im Mittelpunkt.
26 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, digital und präsent vor Ort, interessierten sich für die Veranstaltung. Betroffene aus Schrobenhausen und darüber hinaus schilderten eindrucksvoll ihren Leidensweg mit dieser in der Öffentlichkeit kaum bekannten erblichen Krankheit.
„Im unserem Land gibt es mehrere Tausende seltener Krankheiten. Etwa vier Millionen Bundesbürger sind davon betroffen“, verdeutlichte Irlstorfer das Ausmaß. Er sei, sagte der Abgeordnete, sehr dankbar und froh, dass für seine Kampagne der ehemalige Bundespräsidenten Horst Köhler und seine Frau Eva Luisa die Schirmherrschaft übernommen hätten. Seltene Erkrankungen gebe es viele und so gebe es auch viel Potenzial für weitere Aufklärung. Deshalb bleibe es das Ziel der Kampagne, das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für seltene Erkrankungen zu schärfen und Betroffenen sowie ihren Angehörigen eine Stimme zu geben. „Ich will zum Abschluss der Kampagne ein Weißbuch mit allen Informationen erstellen und es dann Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) übergeben. Dann soll das Thema bei der Tagung der Gesundheitsminister aller Bundesländer auf die Tagesordnung kommen. Das ist mein Ziel“, so Irlstorfer.
Auf Einladung von Erich Irlstorfer hatte der Verein Pro Retina Deutschland, eine Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen, eine betroffene 20-jährige Frau und einen 49-jährigen Mann zu der Veranstaltung nach Schrobenhausen entsandt. Beide sind fast blind – eine Folge der Krankheit. Weiter waren eine Mutter mit ihrem 15-jährigen Sohn und ein älteres Geschwisterpaar aus dem Schrobenhausener Raum mit dabei, wie sich bei der Vorstellungsrunde herausstellte. Aus Berlin und Hamburg waren zwei Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens gekommen.
Die Selbsthilfeorganisation wurde schon 1977 gegründet. 7000 Mitglieder, 60 Regionalgruppen, 100 Beratern und 13 Arbeitskreise zählt Pro Retina. Aufgaben und Ziele sind Information und Austausch, Zusammenarbeit mit Ärzten und Wissenschaftlern, Öffentlichkeitsarbeit und internationale Vernetzung.
Beim Bardet-Biedl-Syndrom handelt sich um eine Erbkrankheit. In der Präsentation wurden einige Symptomen genannt. Viele Kinder kommen mit sechs Fingern oder Zehen zur Welt. Die Nieren sind meistens nicht voll funktionsfähig, Entwicklungsstörungen treten auf mit zahlreichen Nebensymptome. Die betroffenen Kinder haben immer Appetit, essen und trinken unkontrolliert, haben kein Sättigungsgefühl und leiden deswegen an Übergewicht und Fettsucht. In vielen Fällen sind auch die Geschlechtsorgane nicht in Ordnung. Frühsymptome sind auch Sprachstörungen und Sehschwierigkeiten. Viele Betroffene verlieren ihre Sehfähigkeit nahezu oder komplett. Diesen Leidensweg schilderten die Betroffenen bei der Veranstaltung eindrucksvoll.
Erst bei einer genetischen Untersuchung wird der Kern der Krankheit erkannt. Eine Mutter aus dem Schrobenhausener Raum berichtete, dass ihr Sohn von Geburt an keinen Stuhlgang hatte und schon nach kurzer Zeit operiert werden musste. Auch bei ihm habe es sehr lange gedauert, bis die seltene Krankheit festgestellt wurde. „Geht man zu einem Facharzt, untersucht dieser nur in seinem Bereich und kann möglicherweise nichts feststellen. Man wird von einer Klinik und von einem Arzt zum anderen geschickt“, erzählte die Mutter.
Der Verlauf der Krankheit sei kaum noch zu stoppen. Es fehle an Fachärzten mit der nötigen Erfahrung und auch an der notwendigen Medizin. „Die Forschungsergebnisse müssen allen zugutekommen. Es muss weiter geforscht und die medizinische Betreuung verbessert werden“, forderte Manuel, einer der Betroffenen, zum Abschluss der Diskussion.
SZ
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