Neuburg
Außerhalb der zulässigen Meinungsfreiheit

Strafantrag von Baerbock und Lauterbach: 58-Jähriger muss sich vor Amtsgericht Neuburg verantworten

03.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:47 Uhr

Hass und Hetze auf der Plattform Facebook: Ein 58-Jähriger musste sich wegen übler Nachrede gegen Personen des politischen Lebens vor dem Amtsgericht in Neuburg verantworten. Symbolbild: Werner

Von Miriam Werner

Neuburg – Es dauert nur wenige Sekunden, ein Klick auf den Teilen-Button in den sozialen Medien. Ein Klick, für den ein 58-jähriger Angeklagter nun zahlen muss – 3600 Euro. Eine Strafe die auch zeigt, dass Hass und Hetze in der digitalen Welt nicht ungesühnt bleiben.

Häufig sind es Politiker, die im Netz Hasskommentaren und Beschimpfungen ausgesetzt sind. So auch bei einem Beitrag, den ein 58-Jähriger aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen im Oktober vergangenen Jahres geteilt haben soll. Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens sowie die öffentliche Aufforderung zu einer Straftat vor. Deshalb musste sich der 58-Jährige nun am Donnerstagvormittag vor dem Amtsgericht Neuburg verantworten.

Der Beitrag, den der Angeklagte geteilt haben sollte, zeigt gefälschte Fahndungsfotos von bekannten Politikern, unter anderem auf bundespolitischer Ebene: Annalena Baerbock, Karl Lauterbach, Markus Söder und Angela Merkel. In dem Post werden sie als Terroristen, Erpresser oder Gewalttäter betitelt. Unter den Fotos wird ihnen neben Kindesmissbrauch auch Genozid und Freiheitsberaubung sowie die aggressive Täuschung des Deutschen Volkes vorgeworfen. Karl Lauterbach und Annalena Baerbock haben einen Strafantrag gestellt.

Ein Posting in den sozialen Medien, an das sich der 58-Jährige zu Beginn der Hauptverhandlung nicht erinnern konnte. Dass er jedoch öfter Beiträge zum Teil kritischen „Zustand Deutschlands“ geteilt habe, räumte der Angeklagte vor Gericht ein.

„Soll der Beitrag von Geisterhand auf Ihrem Profil erschienen sein?“, sagte Amtsrichterin Rebecca Hupke. Das sehe sie als Schutzbehauptung. „Mir geht es heute darum, dass Sie erkennen, warum es gefährlich ist, so etwas im Netz zu verbreiten. Ich will Ihr Unrechtsbewusstsein schärfen.“ Der Unmut über politische Entscheidungen dürfe geäußert werden. Aber der Beitrag liege weit über der Meinungsfreiheit und könne nicht mehr als Satire eingestuft werden.

Nach kurzer Beratung mit seinem Verteidiger Matthias Rother änderte der Angeklagte seine Aussage. Er räumte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft vollumfänglich ein. „Aber er hat nicht darüber nachgedacht – er war sich nicht bewusst, dass er etwas Gefährliches macht“, ergänzte der Verteidiger.

Der Staatsanwalt sah den Sachverhalt nach der Beweisaufnahme bestätigt. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Beiträge mit solch unwahren Vorwürfen gravierende Auswirkungen auf die Opfer haben könne – wie im Jahr 2019 der Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke. „Sie haben da am Pulverfass gezündelt.“ Die Staatsanwaltschaft hält deshalb eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 57 Euro für Tat und Schuld angemessen. Verteidiger Rother betonte vor Gericht noch einmal, dass wohl in Zukunft keine Gefahr mehr von dem Angeklagten ausgehen werde. „Er war geständig und hat seine Lektion gelernt.“ Das Strafmaß legte er in das Ermessen des Gerichts.

Letztlich sprach Richterin Hupke den 58-Jährigen wegen übler Nachrede und dem öffentlich Aufruf zu einer Straftat schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 3600 Euro. Manchmal sei es ein schmaler Grad zwischen politischer Satire und politischer Meinung: „Sie haben aber die Welt der Meinungsfreiheit verlassen, deshalb sitzen wir heute hier.“ Sie riet dem Angeklagten, künftig Inhalte gut durchlesen und darüber nachzudenken, bevor er sie im Internet verbreitet . „Ich glaube, Sie haben verstanden, dass das nicht in Ordnung war.“ Kriminelle Energie könne sie nicht sehen. „Erst denken, dann posten – das will ich Ihnen mit auf den Weg geben“, sagte die Amtsrichterin: „Ich hoffe, wir sehen uns nicht mehr vor Gericht.“

DK