Bittenbrunn
Alles andere als ein Trend der Neuzeit

EIN LANDKREIS – 50 ERLEBNISSE (Teil 38): Der Weinbau in Bittenbrunn hat eine lange Tradition

07.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:58 Uhr

Der Weinanbau in Neuburg im 16. Jahrhundert: Ein Ausschnitt aus der Mappa von 1576. Am linken Rand mittig ist das Presshaus mit dem kleinen, eingezäunten Weinberg bei Bittenbrunn. Auf der rechten Seite zwischen Ried und Joshofen ist der größere Weingarten am Hörnleberg. Fotos: Veit/Landkreisgästeführer

Der Neuburger Wein von Winzer Josef Tremmel ist bekannt. Und damit knüpft der Laisackerer an eine sehr lange Tradition in Neuburg an, wie der früherer Kreisheimatpfleger Manfred Veit (Foto) in diesem Teil der DK-Serie zum 50. Bestehen des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen zu berichten weiß.

Es ist nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich, dass die Römer in der Zeit zwischen den Jahren 100 bis etwa 260 nach Christus nördlich der Donau Wein anbauten. Die Flurbezeichnung „Weinberg“-Höhlen in Mauern, wo sich eine römische Ansiedlung befand, könnte ein Hinweis dazu sein.

Nachweisen lässt sich der Weinbau aber erst ab dem frühen 16. Jahrhundert. Der spätere Pfälzer Kurfürst Friedrich, der für Ottheinrich und Philipp von 1505 bis 1522 die Vormundschaft übernommen hatte, wollte auf seinen geliebten Wein zum Essen und in Gesellschaft nicht verzichten. Die Transportkosten von der Pfalz nach Neuburg waren hoch und die vielen Zollstationen verteuerten zusätzlich. Daher sollte auch hier vor den Toren der neuen Residenzstadt eine Weinkultur begründen werden, wie er sie aus seiner Heimat kannte. Dazu kaufte er am 1. Dezember 1516 den Berg Hörnlein von seiner Verwandten, der Benediktinerinnenäbtissin Margaretha, und ließ 1517 vom Neckar bei Heidelberg Rebstöcke nach Neuburg bringen. An diesem Hörnlein, dort, wo heute das Arco-Schlösschen steht, ließ er den ersten Weinberg anlegen. Den Benediktinerinnen in Neuburg beließ er dort sieben Morgen zur Anlage eines klösterlichen Weingartens.

Diese fürstliche Liebhaberei animierte verschiedene Neuburger Bürger, aber auch manche Bittenbrunner, vornehmlich Kleinsöldner und Leerhäusler, den Weingarten von Bittenbrunn unter großen Mühen und Kosten zu roden, zu besetzen und zu bebauen. Der Anreiz für die zu leistenden Arbeiten war groß, denn die Inhaber, das heißt diejenigen, die den Weingarten rodeten, sollten dieses bisher öde Land als echtes Eigentum erhalten, auch „noch nit allein des Zehends, sonder auch steur und anderer Beschwerden gefreut [= befreit] und zu erhaltung der Keltern von i[h]nen anders nichts als der gewohnlich Preß[-] oder Kelterwein erfordert und genommen werden“.

Eine Steuerbefreiung hatte also auch zu damaligen Zeiten schon Wunder bewirkt. Nicht erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass es gerade die Minderbemittelten waren, die zur Rodungshacke griffen. Sie wollten damit ihr Einkommen mit neuen Flächen und mit einem vermeintlich lukrativen Erzeugnis, dessen Abnahme der Hof garantierte, aufbessern.

Da in Bittenbrunn die Stecklinge vom Hörnleberg in Ried genommen wurden, war die Anlage hier frühestens im Jahr 1520 erfolgt und die erste Lese im Jahr 1523. Das Presshaus oberhalb des Weingartens und den Weg dorthin finanzierte der geschäftstüchtige Bittenbrunner Pfarrer zusammen mit dem Stadtpfarrer von St. Peter in Neuburg. Dafür kassierten sie einen nicht unerheblichen Anteil am Ertrag, um ihren eigenen Weinbedarf zu stillen oder den Rebensaft zu verkaufen.

Die Bittenbrunner Söldner hatten vom Fürsten die öden Flächen mit Dornen- und Heckendickungen kostenfrei erhalten. Dafür mussten sie dieses Gestrüpp mühselig roden und den Weingarten anlegen. Die Kultivierungsarbeiten über das Jahr waren nicht minder arbeitsintensiv und anstrengend. So mussten die Pflöcke geschlagen, die Stöcke gesetzt und das Ganze eingezäunt werden. Wenn Starkregen die Erde wegschwemmte, dann musste diese in Butten wieder den Berghang nach oben zu den Pflanzen getragen werden, auch der Dünger, der Mist, wurde eingetragen und portionsweise an den Stöcken verteilt. Alles in allem war es eine mächtige Schinderei bei nicht immer garantiertem Ertrag. Die Unwägbarkeiten durch die Witterung machten die Ernte zu einem Lotteriespiel. Gerade in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges wurden die Zäune und die Pfosten rausgerissen und von den Soldaten verheizt. Dadurch lag der Weingarten schutzlos da. Wildverbiss und Fegeschäden durch das Rehwild aber auch Fraßschäden durch Dachse und Vögel sowie Traubendiebstahl reduzierten die Erträge. Die Schwankungen über die Jahre waren deutlich.

Gut auszumachen ist der Einbruch 1651 nach dem großen Krieg. Davon hat sich der Weinbau in Bittenbrunn nicht wirklich mehr erholt. Der anfänglichen Begeisterung bei den Winzern ist Ernüchterung gefolgt. Als der Druck durch den Neuburger Hof und dessen Interesse an dem meist auch in der Qualität weniger süffigen Wein im 18. Jahrhundert nachließ, bauten die Bittenbrunner Zug um Zug mehr und mehr Getreide auf diesen Flächen an. Schließlich kam zum Ende des 18. Jahrhunderts der Weinbau hier zum Erliegen.

Übrigens wurde auch in Neuburg im Beriech der Hutzeldörre Wein angebaut – dort, wo auch heute Reben durch die Stadtgärtnerei wie vor Jahrhunderten in Pflockanbindung kultiviert werden. Diese Trauben wurden jedoch nicht gekeltert. Sie wurden nach der Lese in Räumen des Schlosses hängend getrocknet und als Rosinen am Hof verzehrt.

Seit dem Jahr 1991 baut Josef Tremml am früheren Weingarten in Bittenbrunn, gewissermaßen als experimental history, wieder Wein an. Sein Hobby stellte er durch eine zweijährige Ausbildung in Franken zum Nebenerwerbswinzer auf eine solide Basis. Dieses Wissen vermittelt er auch an Interessierte in Weinseminaren in der Bittenbrunner Anlage. Seit dem Jahr 2016 bebaut er in der Flur Ried, gleich hinter dem Schützenheim von Laisacker, zusätzlich eine Fläche von 990 Quadratmetern mit Keltertrauben. Sein Wissen gibt er auch gerne an Interessierte anlässlich eines Weinseminars weiter. Tremmel hat auch eine Homepage, „Zum Weinbauern“ im Eulatal ist unter www.weinhaus-tremml.de im Internet erreichbar.

DK