Kelheim
Tödlicher Motorrad-Unfall vor Gericht

Angeklagte hatte Einspruch gegen Strafbefehl eingelegt – und verschlechterte sich deutlich

16.02.2022 | Stand 23.09.2023, 2:43 Uhr

Vor dem Kelheimer Amtsgericht ist ein Fall von fahrlässiger Tötung verhandelt worden. Bei einem Verkehrsunfall war ein 57-jähriger Motorradfahrer tödlich verletzt worden. Die Angeklagte legte Einspruch gegen ihren Strafbefehl ein. Foto: Weigert

Der Unfall passierte an einem sonnigen, frühen Sonntagabend im Mai 2021 bei Herrnsaal. Dass die beiden betroffenen Familien unter dem damals Geschehenen leiden, war im Gerichtssaal sicht- und spürbar. Zur Verhandlung kam es, weil die Angeklagte Einspruch gegen den ihr zugestellten Strafbefehl eingelegt hatte. In der Folge war auch der Sohn des Getöteten vom Gericht als Nebenkläger zugelassen worden. Nun saßen sich beide mit Tränen in den Augen gegenüber.

Strafrichterin Claudia Nißl-Neumann zeigte sich ein wenig überrascht vom Einspruch. Die Idee des Strafbefehls sei es gewesen, der Autofahrerin die Hauptverhandlung zu ersparen. Das Strafmaß sei „mit Augenmaß“ gewählt worden.

Laut Strafbefehl hatte die 24-Jährige aus dem Raum Kelheim an dem Sonntagabend auf der Kreisstraße 15 mit ihrem Wagen auf einen mit rund Tempo 60 fahrenden Pkw recht nah aufgeschlossen. Auf Höhe Herrnsaal bog sie nach links ab – und übersah den entgegenkommenden Biker. Ihr Pkw erfasste den Mann auf seinem Motorrad frontal. Wenig später erlag er seinen Verletzungen. Wegen fahrlässiger Tötung sollte die bislang völlig unbescholtene 24-Jährige laut Strafbefehl 8400 Euro Geldstrafe (140 Tagessätze zu je 60 Euro) zahlen.

Für Verteidiger Christian Hopfner liegt jedoch keine fahrlässige Tötung vor, wie er vor Gericht betonte. Er plädierte auf fahrlässige Körperverletzung. Staatsanwältin Waldherr und Richterin Nißl-Neumann werteten die Umstände dagegen als „glasklaren Fall von fahrlässiger Tötung“. Die 24-Jährige hatte zwei Sorgfaltspflichten verletzt, hieß es vor Gericht. Sie war zu nah aufgefahren und hatte beim Abbiegen die Kurve geschnitten.

Verhängt wurden am Ende 140 Tagessätze zu je 65 Euro (9100 Euro) sowie vier Monate Fahrverbot. Zudem hat die 24-Jährige die Verfahrenskosten und die Kosten der Nebenklage zu tragen.

Mit Kritik bedachte Nißl-Neumann die Strategie des Verteidigers. „Ich halte nichts davon, den Getöteten über das Maß zu diskreditieren“, sagte sie. Eine Mitschuld des Motorradfahrers – der in dem Tempo-80-Bereich zu schnell unterwegs gewesen war – sei im Strafbefehl berücksichtigt. In den Augen der Verteidigung jedoch viel zu wenig.

Nißl-Neumann legte der 24-Jährigen nahe, den Einspruch zurückzuziehen. Dies kam laut Verteidiger nicht infrage. Für das Gericht wiederum war ein Absehen von der Strafverfolgung, sprich eine Einstellung, unter Zahlung einer Geldauflage keine Option.

Tränen flossen während der Verhandlung auf beiden Seiten, insbesondere bei der Angeklagten. Nur ganz am Schluss äußerte sie sich selbst. Sie wandte sich an die Angehörigen: „Es tut mir so leid.“

Zuvor hatten sich die junge Frau, der Nebenkläger und ihre Angehörigen viele Details zu Unfallhergang und den Verletzungen des 57-Jährigen anhören müssen. Die Familie des Opfers zudem, dass der Biker bei erlaubtem Tempo 80 mit an die 116 Kilometern in der Stunde unterwegs gewesen und der Gurt seines Helms nicht oder nicht völlig geschlossen gewesen war. Nach dem Kfz-Sachverständigen hatte der von der Verteidigung bestellte forensische Sachverständige das Wort. Er ging darauf ein, was gewesen wäre, wenn der Biker langsamer gefahren wäre. „Er wäre verletzt gewesen, aber nicht tödlich.“ Die Richterin konterte: „Wir haben keine Konjunktive zu verhandeln, sondern das, was ist.“

Ob die 24-Jährige Rechtsmittel eingelegt, ist noch unklar. Nißl-Neumann legte ihr nahe, es nicht zu tun. „Sie leiden furchtbar, auch ihre Familie“, betonte sie. Eine Verhandlung sei auch „dazu gedacht, den Deckel drauf zu machen und Frieden zu finden“.

DK