2622 Kilometer
Mit dem Rad von Niederbayern nach Santiago de Compostela

Sebastian Schmailzl und Ludwig Beck aus Tettenwang sind 2622 Kilometer in 23 Tagen geradelt

19.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:08 Uhr

Erschöpft aber glücklich posieren die beiden Tettenwanger, Sebastian Schmailzl und Ludwig Beck, vor der Kathedrale von Santiago de Compostela. Foto: privat

Von Bernhard Hegenberger

Viele Menschen reizt der Gedanke, auf dem Jakobsweg unterwegs zu sein. Die meisten wandern aber nur einzelne Etappen. Zu einer ganz anderen Reise auf dem „Camino“ machten sich die beiden Tettenwanger (Landkreis Kelheim) Ludwig Beck und Sebastian Schmailzl auf.



Sie legten die 2622 Kilometer lange Wegstrecke von Tettenwang nach Santiago de Compostela mit dem Fahrrad zurück – und zwar in nur 23 Tagen.

Bei kühlen acht Grad starteten die Radler in Tettenwang die, wie sie später sagten, „erlebnisreichste Tour unseres Lebens“. Über Landstraßen führte die Strecke des ersten Tages bis ins schwäbische Ulm, dann weiter bis in den Schwarzwald nach Freiburg. Fünf Tage lang waren die beiden Radfahrer auf deutschen Straßen unterwegs – der Tacho zeigte danach bereits 500 Kilometer an.

„Die Überquerung der Landesgrenze nach Frankreich war schon ein tolles Gefühl“, erzählt Beck. Im Nachbarland angekommen, hatten die beiden zunächst großen Respekt vor der sprachlichen Verständigung. Diese Angst erwies sich jedoch schnell als unbegründet, die Einheimischen waren sehr offen und gastfreundlich.

„Überall große Hinweisschilder“

Ab Colmar folgten die Radler dem ältesten Pilgerweg der Welt – dem Chemin St. Jaques, auch Camino genannt. Dieser mittelalterliche Pilgerweg führt auf einer der schönsten und interessantesten Routen quer durch Frankreich und Nordspanien. „Überall wiesen große Hinweisschilder in verschiedenen Sprachen und natürlich der Jakobsmuschel auf den richtigen Weg hin“, erzählen die Tettenwanger. Das erste Drittel des Radwanderwegs führte die beiden durch endlose Wälder in den Vogesen und Burgund zum mittelalterlichen Pilgerort Le Puy-en-Veley im Herzen Frankreichs. Meist verliefen diese Wege in über 1000 Meter Seehöhe durch äußerst karge Landschaften. Kein Wunder, dass nur wenige diesen mittelalterlichen Weg nehmen, denn der Höhenweg war mit Steinen übersät. „Einsame Landstriche sorgten dafür, dass wir stundenlang unterwegs waren, ohne auch nur einem Menschen zu begegnen“, sagt Sebastian Schmailzl.

Vom baskischen Ort Saint-Jean-Pied-de-Port führt der Weg bis auf 1420 Meter Höhe über die imposanten Höhenzüge der Pyrenäen und schließlich über die Grenze nach Spanien. Durch die grünen Mittelgebirge Navarras erreichten die Radler dann Pamplona, das durch seine Stierläufe und Stierkämpfe bekannt geworden ist.

Noch lange wird den beiden der Sonntag, 16.Mai, in Erinnerung bleiben. Es kam zu einer Radpanne. Was war passiert? Das Schaltauge am Trekkingrad von Sebastian Schmailzl war gebrochen. Ein Tiefpunkt. Es sah so aus, als ob die beiden die Tour hier abbrechen müssten. Nach etlichen erfolglosen Versuchen fanden sie aber einen „Engel“, der ihnen innerhalb von 24 Stunden das Fahrrad wieder reparierte. Damit konnte die Reise weitergehen.

„Cruz de Ferro“ ein besonderer Ort auf dem Jakobsweg

Über alte römische Straßen führte der Jakobsweg weiter nach Logrono, Hauptstadt des berühmten Weingebietes der Rioja. Von dort windet sich der „Camino Francés“ durch Weinberge und vorbei an Orten wie Santo Domingo de la Calzada und San Juan de Ortega bis in die alte Königsstadt Burgos. Schließlich radelten die beiden durch die karge kastilische Hochebene der Meseta. Danach ging es durch die Metropole Leon mit der wohl schönsten gotischen Kathedrale Spaniens. Auch der nächste Höhepunkt – Astorga mit seinem sehenswerten Bischofspalast von Antoni Gaudí – ließ nicht lange auf sich warten. Hinter Astorga führte der Camino Francés durch die fast tibetisch anmutende Landschaft der Maragatería und schließlich auf den höchsten Punkt der Pilgerreise, den 1500 Meter hohen Pass. Oben wartete mit dem „Cruz de Ferro“ ein besonderer Ort auf dem Jakobsweg: Einer jahrhundertealten Tradition folgend legen Pilger an diesem Eisenkreuz einen Stein aus ihrer Heimat und damit symbolisch eine persönliche Last ab.

Nachdem die atemberaubende Berglandschaft der Montes de León durchquert war, erreichten die Tettenwanger die Großgemeinde Ponferrada, in deren Zentrum sie die imposante Burg des Templerordens fanden. Von hier ging es durch die Weinberge des Bierzos in den 1300 Meter hoch gelegenen galizischen Grenzort OCebreiro. „Heute war unser bester Tag mit 150 Kilometern zurückgelegter Strecke“, schrieben die beiden dazu in ihr WhatsApp-Tagebuch. Der weitere Weg führte durch das grüne Mittelgebirge des keltisch geprägten Galiziens. Vorbei an duftenden Eukalyptuswäldern erreichten Ludwig Beck und Sebastian Schmailzl schließlich am Mittwoch, 25. Mai, um 15.40 Uhr das Ziel ihrer Pilgerreise: die Kathedrale von Santiago de Compostela.

Voller Freude und Dankbarkeit fielen sie sich in die Arme. „Wir sind müde und erschöpft – aber gefüllt mit unzähligen Eindrücken“, lautet das Fazit der beiden. „Die wunderbare Naturlandschaft Nordspaniens und die freundschaftlichen Begegnungen mit Menschen aus allen Teilen der Welt ließen den Camino Francés zu einem einmaligen Erlebnis werden“, schwärmen die Tettenwanger noch immer.

DK