Wer an diesem Samstag einen Blick in den Briefkasten wirft, könnte einen länglichen Umschlag entdecken und sich fragen: Nanu, Briefwahlunterlagen? Dabei ist die Bundestagswahl doch noch in weiter Ferne. Tatsächlich sind es die Unterlagen der evangelisch-lutherischen Kirche. In diesen Wochen kann wieder der Kirchenvorstand gewählt werden.
Nur alle sechs Jahre wird das Gremium neu bestimmt. Riedenburgs Pfarrer Christian Bernath (Bild unter Artikel), der auch die Bereiche Altmannstein, Mindelstetten und Oberdolling betreut, erklärt, was es mit dem Kirchenvorstand auf sich hat.
Gremium wird nur alle sechs Jahre gewählt
Der Anruf unserer Zeitung erreicht Pfarrer Bernrath gerade beim Mittagessenkochen, doch um zu erklären, was es mit den Kirchenvorstandswahlen auf sich hat, nimmt er die Spiegeleier nochmal vom Herd. Am 20. Oktober ist es so weit, erklärt er, dann wird bayernweit über die neuen Repräsentanten der Kirchengemeinde entschieden. Denn das soll der Kirchenvorstand sein: Ein Abbild der Menschen, die in der jeweiligen Kirchengemeinde leben. Ihre Funktion sollte nicht unterschätzt werden, so haben die Mitglieder des Vorstands umfassende Entscheidungs- und Mitbestimmungsgewalt. „Sie sind ein starkes Stück evangelischer Kirche“, so der Pfarrer.
Dabei reicht die Mitsprache von Themen wie Personalfragen, finanziellen oder liturgischen Entscheidungen sogar bis zur Ausrichtung der Gemeinde – „Es geht um strategisch-strukturelle Entscheidungen“. Denn immer mehr Kirchenbänke bleiben leer. Besucher der Gottesdienste bleiben aus. „Wir müssen entscheiden, wie wir uns in sich verändernden Zeiten, in denen sich die Haltung der Menschen zu Glaube und Kirche verändert hat, ausrichten wollen“, erklärt Bernrath.
Wegen Mitgliederschwund: Kirche orientiert sich neu
Für die Riedenburger Gemeinde habe man erkannt: Dafür muss es raus aus dem Kirchenhaus gehen. „Wir haben uns zu einer Art Outdoor-Kirche entwickelt.“ Denn Gottesdienst-Formate werden besser besucht, wenn sie in der Natur stattfinden. „Vermutlich weil es ein niederschwelligeres Angebot ist“, so Bernrath. Ob in Schamhaupten auf der Wiese oder in Riedenburg auf der Seebühne: „Es sind immer hundert Leute oder mehr, und die habe ich im Gottesdienst in der Kirche nicht.“
Diese wichtige Frage, wie sich Kirche künftig gestaltet, obliegt auch dem Einsatz der Mitglieder des Kirchenvorstands. Auf sechs Jahre wird gewählt, eine zu lange Amtszeit, die auch abschreckend wirken kann, findet der Pfarrer. Er hofft auf Veränderungen dieser Regelung, ganz gemäß des Leitspruchs der evangelischen Kirche: semper reformandum (immer in Entwicklung). Auf dem Stimmzettel stehen nun neun Namen, sechs davon können gewählt werden. Am Ende bildet sich ein Gremium, das monatlich mit dem Pfarrer sowie nach Interessen in bestimmten Teams tagt.
„Kirchenvorstand ist kein Elternbeirat“, stellt Bernath klar. Denn das Gremium stellt kein Helferteam für Anlässe, oder eine Opposition zum Pfarrer oder zur Pfarrerin dar: „Wir machen es miteinander. Demokratisch, auch wenn es manchmal anstrengend ist.“ Das sei auch wichtig, um eine Willkür des örtlichen Pfarrers oder der Pfarrerin zu unterbinden. So kann ein solcher beispielsweise nicht einen Gottesdienst verschieben oder die Kirche neu streichen, ohne das mit seinem Gremium abgestimmt zu haben. „Das ist wichtig, sonst wird ein Pfarrer zum Pfarrherr.“
Kirchenvorstand setzt sich für Gemeinde ein
Außerdem weist Bernrath auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Die Pfarrer kommen und gehen. Aber die Gemeinde bleibt. Deshalb braucht es den Kirchenvorstand, der die Wünsche und Ideen aus den Teilen der Gemeinde auffasst und sich dafür einsetzt. Um das Beste für die Menschen zu erfüllen, die hier leben.“
Wählen kann jeder „ab der Konfi“, also ab dem 14. oder 15. Lebensjahr. Das geht per Briefwahl oder direkt in der Gemeinde. Und wer wird am Ende gewählt? Die Kandidaten kommen aus allen Teilen der Kirchengemeinde – sie stellen sich am Sonntag im Gottesdienst vor (siehe Kasten). Nach ihrer Benennung im Gremium sind sie jederzeit ansprechbar für Wünsche und Ideen der Kirchenmitglieder. Aufstellen lassen kann man sich laut Bernrath schon ab dem 16. Lebensjahr. Trotzdem sind die meisten Kandidaten in der Lebensmitte, was der Pfarrer mit der Länge der Amtszeit begründet.
Obwohl er durch seine Begegnungen in der Gemeinde schon einige geeignete Anwärter im Hinterkopf hatte und äußerst zufrieden mit der Auswahl des Kirchenvorstands ist, stellt er fest: „Die evangelische Kirche hat ein enormes Problem.“ Damit sich das künftig ändert, hofft er, mit dem neuen Kirchenvorstand im Oktober die richtigen Impulse setzen zu können, damit Menschen Glaube und evangelische Kirche als bereichernden Teil ihres Lebens ansehen. Und Interesse daran haben, Kirche auch zu gestalten.
Kandidaten und ihre Vorstellung
Zur Wahl für den Kirchenvorstand stehen: Jürgen Baer aus Pondorf, Karin Dachs aus Deising, Gerlinde Kelp aus Riedenburg, Dagmar Burprich aus Neuenhinzenhausen, Nicolle Fichtner-Sühlfleisch aus Riedenburg-Haidhof sowie Svetlana Kibler und Anja Scheuerer (beide Riedenburg), Rüdiger Lehnert aus Hagenhill, Cornelia Zehbold aus Schamhaupten und Dorothee Scheidl aus Riedenburg. Genaueres zu den Kandidaten kann über die Internetseite der Kirchengemeinde erfahren werden.
Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Kirchengemeinde Riedenburg stellen sich zudem am Sonntag, 22. September, im Gottesdienst in der Christuskirche um 10 Uhr vor. Der Gottesdienst wird vom Projektchor der Kirchengemeinde mitgestaltet. Im Anschluss des Gottesdienstes besteht beim Kirchenkaffee die Möglichkeit zu Begegnung und Gesprächen. Ab 11.15 Uhr treffen sich die Zwergerl im Kirchenraum zum Kleinkindergottesdienst.
DK
Zu den Kommentaren