Technik selbst entwickelt
Riedenburgerin bastelt Kunstobjekte aus Zeitungspapier

Die Riedenburgerin Kathrin Gaul bastelt mit selbst entwickelter Technik Dynamik ausstrahlende Figuren

12.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:58 Uhr

Ein Repertoire an Figuren kreiert die Riedenburger Künstlerin Kathrin Gaul aus altem Zeitungspapier. Foto: Erl

Die Figuren, die Kathrin Gaul aus Zeitungsschnipseln, Kleister und ein wenig Draht zaubert, klettern am liebsten. Entweder an der Zimmerwand hoch, an einer Drahtschnur vor dem Fenster oder wo auch immer Platz ist.



Richtig klettern können diese Figürchen natürlich nicht – schon alleine deshalb, weil ihnen Kathrin Gaul Arme und Beine schenkt, die weit über das anatomische Maß von Menschen hinaus reichen und zudem überaus filigran wirken. Zudem gibt sie ihnen eine Dynamik mit auf ihrem Weg nach oben, als wären die Figuren gerade im Moment ihrer Bewegung schockgefrostet eingefroren. Sogar die Haare ihrer Figürchen wirken, als würden sie durch einen plötzliche Windhauch aus der Felswand geweht. Dabei ist jede einzelne dieser Strähnchen aus winzigen Zeitungsschnipseln wie Dreadlocks gezwirbelt und mit feinen Fingern am Kopf der Figürchen befestigt.

Ihre Figürchen, die Gaul eher aus einem Zufall und aus einer gesundheitlichen Einschränkung heraus kreiert, haben inzwischen Kunst-Status erreicht. Jedes einzelne der inzwischen wohl über 100 Objekte hat seine ganz eigene Ausdrucksweise und seinen speziellen Charme. „Keine einzige gleicht der anderen. Das entsteht einfach so, ich kann das nicht erklären“, sagt die Haidhoferin zu ihrer dafür selbst entwickelten Technik.

Seltene Augenerkrankung

Eine seltene Augenerkrankung zwang sie im Jahr 2017, die Arbeit in ihrem Riedenburger Bioladen aufzugeben: „Ich habe Wechselgeld nicht mehr richtig rausgegeben, weil ich einfach nicht mehr richtig sehen konnte“, erinnert sie sich. Auch ihr Privatleben war für die zuvor passionierte Kletterin in weiten Bereichen eingeschränkt.

Eigentlich aus Langeweile, zum Zeitvertreib und um nicht immer an die Augenerkrankung denken zu müssen begann sie, aus alten DONAUKURIER-Exemplaren mit ein wenig Draht und etwas Kleister ihre Kletterfigürchen zu formen. „Im Internet hatte ich mal eine kletternde Bronzefigur gesehen und das war mein Ansporn“, erinnert sie sich.

Dünner Draht ist Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für ihre Arbeit ist immer ein dünner Draht samt Schlaufe für den Kopf, der mit Holzstäbchen dort verstärkt wird, wo später die Gliedmaßen entstehen. Anschließend wickelt sie kleisterdurchtränkte Zeitungsschnipsel Schicht für Schicht mit den entsprechenden Trocknungszeiten dazwischen um den Draht, bis sie den Eindruck hat, es würde reichen. „Es muss mir in dem Moment gefallen, in dem ich die Figur mache“, verrät die kreative Frau. Auch weiß sie nie vorher, wie ihre Figuren aussehen werden oder ob es dann Männlein oder Weiblein sind.

Natürlich bleiben die Körperchen nicht in ihrem Zeitungsschnipsel-Outfit stecken. Mit einem Textilverhärter wird das getrocknete Konglomerat aus Papier und Kleister fixiert und anschießend mit einer Bronze- oder Eisengrundierung überzogen. Und wenn sie Lust darauf hat, bekommt eine Kletterin zuvor auch mal ein Röckchen aus einer alten Textilie übergezogen, das gleichfalls lustig im Wind zu flattern scheint.

Repertoire erweitert

Inzwischen hat Kathrin Gaul ihr Repertoire erweitert. Sie hat zwei Pferde fertiggestellt – schließlich ist ihr Familienname ja Gaul. Auch einem Hund hat sie als Auftragsarbeit schon beinahe lebensechte Dynamik verliehen. Irgendwie waren sie und ihre Familie wohl selbst erstaunt, welche Kunstwerke und welche persönlichen Veränderungen sich daraus entwickelten. „Jetzt geht es mir total gut, ich habe mich mit dieser degenerativen Netzhauterkrankung ausgesöhnt und sie ist sogar gestoppt. Die Figuren haben mir geholfen“, ist sie sich sicher.

Bald schon nahm ihr Mann einige der Werke mit in den Bioladen und die Kunden fanden Gefallen daran. Seit einiger Zeit stellt sie ihre Kletterfeen und andere derartige Figürchen auch in einem Fenster in der Kriegerpassage aus und auch auf der Kunstwendfeier vor wenigen Wochen war sie vertreten. „Ich hab das anfangs als Hausfrauenbastelei abgetan, aber es hat sich entwickelt“, meint sie zufrieden.

Seit kurzem ist sie Mitglied der Gruppe Kunst in Kelheim. Die Nachfrage nach ihren Werken kam bald. „Inzwischen hängen meine Figürchen in verschiedenen Häusern zwischen Salzburg und Berlin“, weiß sie. Aber ihr Erstlingswerk, das würde sie nie verkaufen. Es wird auch weiterhin an einem Ehrenplatz mitten im Wohnzimmer hängen.