Sommerresidenz
Zsuzsa Bánk liest an der Uni Eichstätt aus „Der Schwimmer“

13.06.2024 |

Im Rahmen des Seminars „Alles fließt“: Zsuzsa Bánk zu Gast mit ihrem Roman „Der Schwimmer“. Foto: Buckl

Als 2002 Zsuzsa Bánks Romandebut „Der Schwimmer“ erschien, schwelgten die Rezensenten reihenweise in Euphorie: Von einem „schönen Debüt“ war die Rede, einem „herzzerreißenden“ und „wunderbaren Roman“, einem „großen, poetischen Buch der Trauer und des Verlusts“, es hagelte Preise.

Erstaunlich, dass Bánk selbst ihren Erstling heute eher mit Distanz betrachtet. Das zeigte sich am Dienstag bei ihrer Eichstätter Uni-Lesung im gut besuchten Holzersaal der Sommerresidenz. Hier musste ein Akademikertrio bei einer Podiumsdiskussion nach der Lesung das Buch fast vor der Autorin in Schutz nehmen.

Doch der Reihe nach. Die 1965 als Tochter ungarischer Eltern in Frankfurt geborene Schriftstellerin wurde nach Eichstätt eingeladen im Rahmen des Uni-Seminars „Alles fließt“, das aus „transdisziplinärer Perspektive“, von Seiten der Philologie, der Umweltethik und der Soziologie das Phänomen des Wassers ergründen will, wie die Germanistin Friederike Reents in ihrer sehr ausführlichen Einführung formulierte.

Odyssee durch Ungarn

Da fügte sich die Lesung aus einem Text, der auch am Plattensee spielt und metaphorisch vom Schwimmen spricht, gut ein.

„Der Schwimmer“ ist die Geschichte der zwei Geschwister Kata und Isti und ihres von seiner Frau Katalin verlassenen ratlosen Vaters Kálmán, die nach dem gescheiterten Aufstand von 1956 eine rastlose Odyssee durch ganz Ungarn erleben, was aus Katas Perspektive erzählt wird.

Zu hören gab es zwei Kapitel, worin das Trio den verwirrten Onkel Zoltán und dessen Tochter Virág besucht. Beim Lesen stellte Bánk die erstaunliche Fähigkeit unter Beweis, gleichermaßen sanft und leise wie auch eindrücklich und voller Suggestivkraft zu artikulieren – was dem Text angemessen ist, der ein düsteres Ambiente in Moll aufweist, wenn etwa der Vater nicht liebevoll mit seinen Kindern umgeht, sondern grob und verantwortungslos.

Das Schwimmen im See bringt Trostmomente: „Der Balaton hat etwas Balsamhaftes, er kann die Düsternis drum herum aufhellen“, formuliert Bánk. Er habe „ein besonderes Licht“, das sich so nie an einem Fluss einstellen könnte – „jedenfalls an keinem ungarischen“, er biete „eine Illusion von Freiheit, aber er zieht zugleich Grenzen“, erläutert Bánk.

Angenehme Sprachmelodie

Dass das Schwimmen im See eine „Entfremdung“ darstellen soll, wie sie der Eichstätter
Soziologie Joost van Loon erkennen wollte, verneint Bánk entschieden. Überhaupt will sie keine Psychologie im Text verorten: „Ich vermeide das Beschreiben von Gemütszuständen“, sie beschreibe nur Handlungen, wenn etwa der Vater seine Kinder fahrlässig ins Wasser stößt.

Nie sei dabei von Depression die Rede, sie könne ihre Figuren „nicht in ihre Herzlabyrinthe und letzten Hirnverzweigungen verfolgen!“ Auch die Augsburger Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl erntet Widerspruch, als sie dem Text „eine angenehme Sprachmelodie“ attestiert und entzückt die Autorin lobt „Sie haben mich durch Ihren Roman schwimmen lassen!“

Bánk sieht sich dagegen von der Sprache ihres Debuts „heute sehr weit entfernt“ und könne „kaum mehr die damalige Sprachmelodie entdecken“, das Buch enthalte ja lauter kurze Sätze, das sei allenfalls „eine Vorarbeit für etwas, was ich mir heute erarbeitet habe“. Heute bevorzuge sie „eine lange, vagabundierende und spiralförmige Syntax voller Variationen“.

Buch aus einem anderen Leben

Da widerspricht wiederum die Philologin Friederike Reents: Bei der Ich-Erzählerin handle es sich ja um ein Kind, daher gehen die kurzen Sätze schon in Ordnung. Bánk bekennt, sie halte ihren Debütroman für „sehr hermetisch“ und habe „heute nicht mehr so gut Zugang zu ihm“. Denn das Buch „stammt aus einem ganz anderen Leben, heute schreibe ich ja ganz anders!“

Das Publikum jedenfalls genoss den Abend: Sowohl die Lesung wie die muntere Diskussion erntete minutenlangen Applaus!

DK

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