Festival-Vorschau
Zauber des Zusammenspiels

Lauten, Posaunen, Gamben, Traversflöten und vieles mehr sind beim diesjährigen Musikfest Eichstätt zu erleben

12.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:05 Uhr

Ein Konzert zum Muttertag gestalten Schlagzeuger Tobias Dutschke und die Geigerin Emmanuelle Bernard (oben). Eine Hofgartenserenade ist mit dem Amaconsort geplant. Auch das Turmblasen auf dem Marktplatz bereichert wieder das Festival (Foto rechts). Fotos: Sahlmen, Bortolotto, privat

Eichstätt – Das Musikfest Eichstätt, ein erlesenes, auch überregional weithin beachtetes Festival für Alte Musik, geht dieses Jahr in seine zehnte Runde. Von 12. bis 14. Mai erklingen an stimmungsvollen Spielstätten der barocken Bischofsstadt wieder ausgesuchte musikalische Kostbarkeiten. Diesmal steht das Festival im Zeichen des faszinierenden „Consort-Spiels“. Dabei handelt es sich um eine aus der Renaissance-Zeit erhaltene, besondere Form des Zusammenwirkens von mehreren, meist gleichartigen Instrumenten. „Man kennt das heute noch in Form des Streichquartetts oder des Blockflötenensembles“, erklärt die Künstlerische Leiterin Heidi Gröger. „Wenn man die unterschiedlichen Stimmlagen einer Instrumentenfamilie kombiniert, entstehen ganz wunderbare Klänge, die sich von der Spieltechnik her stark ähneln und deshalb perfekt zueinander passen.“ So entstand das Festivalthema quasi durch sich selbst.

Denn die renommierte Gambistin ist seit vielen Jahren erklärter Consort-Fan. Nicht zuletzt deshalb, weil sie äußerst erfolgreich in einer solchen professionellen Formation musiziert. Ganz abgesehen davon gibt es aus den letzten Corona-Jahren noch Konzert-„Überhängsel“ nachzuholen, die bisher noch nicht stattfinden konnten. So fügte es sich fast automatisch, dass heuer gleich mehrere Consort-Gruppen beim Musikfest zu Gast sind. Wie zum Beispiel das bezaubernde Attaignant Consort, ein exquisites Traversflöten-Ensemble mit Laute, dessen Eröffnungskonzert vor zwei Jahren auf Live-Publikum verzichten musste und vom BR ausschließlich im Radio ausgestrahlt wurde.

Ein regelrechterKampf der Giganten

Oder das Duo Bassonore, das einen regelrechten „Kampf der Giganten“ ausficht: In einem fiktiven Wettstreit treten Adrian Rovatkay am monströsen Großbasspommer, einem meterlangen, tief klingenden „musikalischen Ofenrohr“ und Dane Roberts am mächtigen, durchdringenden Großbassviolone, einer Vorform des Kontrabasses, gegeneinander an. „Da werden die alten Gemäuer des Spiegelsaals bestimmt wackeln“, lacht Heidi Gröger.

Auch der – eigentlich für 2020 vorgesehene – Auftritt von Grögers eigenem preisgekrönten Gamben-Consort Phantasm um Laurence Dreyfus steht noch aus. Diese fünf Musiker sind stellvertretend für alle Consorts auf dem aussagekräftigen Titelbild des Festivalflyers und der Homepage zu sehen. Die Aufnahme zeigt die schwarz gekleideten Künstler von hinten vor einem glühend aufgehenden Sonnenball. Entstanden ist sie bei der aufwendigen Produktion eines kurzen Fantasie-Musikfilms im Weltraum-Szenario vom Studio LEDcave in Berlin. Der Screenshot bringt den Grundgedanken des Consort-Spiels ideal zum Ausdruck: Eine einheitliche Richtung, eine gemeinsame Linie, eine verbindende innere Haltung – und dennoch bleibt die Individualität der unterschiedlichen Charaktere gewahrt.

Phantasm kommt wohltemperiert

So kommt Phantasm mit dem Konzert „Das wohltemperierte Consort“ nach Eichstätt. Da fühlt man sich natürlich gleich an Bach und sein bahnbrechendes, durch alle Tonarten wanderndes „Wohltemperiertes Klavier“ erinnert, welches hier in einer ausgewählten Fassung für mehrstimmiges Gamben-Consort dargeboten wird. Die internationale Fachpresse zollte den dazu erschienenen CD-Einspielungen (die dritte und letzte kam erst Anfang Februar heraus) allerhöchstes Lob. Umso mehr darf man gespannt sein, wie eine solch phänomenale, an den Tasten berühmt gewordene Musik auf gestrichenen Saiten klingt. „Es entsteht eine tolle Klangpracht, wenn fünf Musiker das machen, was normalerweise ein genialer Organist alleine mit diesen Stimmen leistet“, verspricht Heidi Gröger.

Eine weitere große Leidenschaft der Festivalleiterin ist das weltweit nur äußerst selten zu findende Lauten-Consort. Deshalb werden in jener gezupften Manier die vier jungen Damen des in Basel gegründeten „Casulana Consorts“ das Musikfest im Holzersaal der Sommerresidenz eröffnen. Und das gleich zweimal hintereinander: Mit raffinierten Arrangements französischer „Air de cour“, beschwingten Tänzen und spannenden Vokalmusik-Transkriptionen aus der Zeit um 1600, ganz kammermusikalisch ergänzt durch berührenden Gesang aus dem Ensemble heraus.

Dagegen wird das samstägliche Historische Turmblasen am Marktplatz mit opulentem Strahlglanz vom dreiköpfigen, interkulturellen Posaunen-Consort Anima Shirvani gestaltet. Interessanterweise finden sich im überlieferten Consort-Repertoire sogar zu diesem Thema Stücke, wie die mehrfach vertonten „Cries of London“, in denen explizit das turbulente Stadttreiben im Mittelpunkt steht und wo es laut Heidi Gröger mit den lautstark nachempfundenen Anpreisungen der Marktschreier musikalisch „wild zur Sache“ geht.

Auch die Tradition des beliebten BR-Tafel-Confects live aus dem Spiegelsaal der Eichstätter Residenz wird fortgesetzt. Christian Schuler wird den exklusiven musikalischen Festival-Querschnitt mit verschiedenen Künstlern moderieren. Ebenfalls wieder ins Konzept aufgenommen hat Gröger die idyllische Hofgarten-Serenade im lauschigen, fast mediterran anmutenden Ambiente des Muschelpavillons im Park der Universität. Verweilen, Zuhören und Genießen heißt hier die Devise. Wer Lust hat, kann sogar sein eigenes Picknick mitbringen. Das junge, mehrfach ausgezeichnete Quartett „Amaconsort“ wird dort sein Frühlingsprogramm „Amasque“, bestehend aus unterhaltsamen englischen Weisen, Gassenhauern und Ohrwürmern, zum Besten geben. Die vier Musiker repräsentieren übrigens ein sogenanntes „Broken Consort“, also ein aufgebrochenes Consort mit verschiedenartigen Instrumenten aus mehreren Familien – in diesem Fall Blockflöte, Violine, Gambe und Cembalo.

Apropos Familie: Passend zum Muttertag ist am Sonntag Nachmittag natürlich wie gewohnt ein Familienkonzert angesetzt – diesmal unter dem Motto „Verspielt?!“ Dabei spüren der Schauspieler und Schlagzeuger Tobias Dutschke und die Geigerin Emmanuelle Bernard der Frage nach, was dieses Wort, insbesondere in der Musik, eigentlich heißt – und ob es nicht sogar mehrere Bedeutungen haben kann.

Glanzvoller Abschluss mitimposantem Magnificat

Zum großen Abschlusskonzert „La Festa della Salute“ treffen in der Klosterkirche Rebdorf die belgische Vokalformation Vox Luminis und die Lautten Compagney Berlin aufeinander. Als Dirigent am Cembalo kommt Multitalent Johannes Weiss, der in den ersten Jahren mit Heidi Gröger gemeinsam das Musikfest Eichstätt leitete, zurück nach Eichstätt. Der Abend bietet mit zwischen 1630 und 1640 entstandener geistlicher Vespermusik von Claudio Monteverdi, Giovanni Rigatti oder Chiara Margarita Cozzolani nicht nur eine feierliche Reminiszenz an die Überwindung der Pestepidemie in Venedig, sondern versteht sich zugleich als klangvolle Hommage an die Votivkirche „Santa Maria della Salute“, die aus diesem Anlass damals am Canal Grande errichtet wurde. Mehr und mehr verließen die venezianischen Komponisten und Komponistinnen der Zeit den älteren Renaissance-Stil mit seiner schweren Polyphonie und den komplexen Strukturen, so Johannes Weiss. Vielmehr wandten sie sich der kleinteiligen Filigranität, der süßen Terzenseligkeit und überraschenden Leichtigkeit zu. „Zum Dahinschmelzen!“ Den glanzvollen Schlusspunkt des pompösen Jubels setzt ein imposantes Magnificat.

Erstmalig angeboten werden im Rahmen des Musikfests vor den jeweiligen Konzerten zwei kostenlose Führungen durch den historischen Hofgarten sowie durch die Rebdorfer Klosteranlage. Beide Örtlichkeiten stellt die Kunsthistorikerin, Stadtheimatpflegerin und Museumsleiterin Claudia Grund vor.

Mit insgesamt elf hochkarätigen Veranstaltungen – einige sogar bei freiem Eintritt – lässt das Musikfest Eichstätt seine Besucher und Besucherinnen ein ganzes Mai-Wochenende lang mit ausgewiesenen Spezialisten „Alte Musik neu entdecken“.

DK


Tickets sind erhältlich im Eichstätter Reisebüro Engeler (Pfahlstr. 21), bei allen Vorverkaufsstellen von Ticket Regional, telefonisch unter (0651) 9790777 oder online unter www.ticket-regional.de.