Eichstätt
Willi Dirsch stirbt 86-jährig

Dirsch war Leiter der physikalischen Abteilung im damals noch städtischen Krankenhaus Eichstätt.

14.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:16 Uhr

„Wenn ich auf 2021 wieder dankbar zurückschaue, dann liegt es nicht nur daran, dass ich eine gute Portion Grundzufriedenheit vererbt bekommen habe, sondern dass liebe Frauen aus Polen es meiner Frau und mir trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen möglich gemacht haben, dass wir in unserem Hause zusammen leben können“ sagte Willi Dirsch vor seinem letzten gang ins Krankenhaus. Foto: Bauer

Der letzte Gang von Willi Dirsch war der ins Krankenhaus: Er hatte seine kleine schwarze Tasche auf meinen Fahrradträger geladen und legte ein fußläufiges Tempo vor, das ihn nicht als Kranken auswies.

Er, der blind war und doch so selbstständig wie möglich sein wollte, verhielt sich wie immer: souverän, auch wenn ihm die schwerste Stunde bevorstand. Nach einer Woche Krankenhaus – mittlerweile auf der Palliativstation – wollte er noch einmal heim zu seiner schwer pflegebedürftigen Frau Olga, um auf Wiedersehen zu sagen. Doch daraus wurde nichts: Schon nach kurzer Zeit musste er wieder in die Klinik. Die Hausärztin hatte wenige Tage zuvor auch seine schwerkranke Frau ins Krankenhaus geschickt: Drei Tage später, starb er dort am im Kreise seiner Familie, an der Seite seiner Frau. Sie folgte ihm vier Tage später auf die andere Seite des Lebens.

Willi Dirsch kam am 1. August 1935 in Berlin auf die Welt, wurde 1943 des Krieges nach Emsing zur Verwandtschaft des Vaters gebracht; er selber sprach von sehr glücklichen Jahren trotz des Krieges. 1945 erfolgte der Umzug nach Dorsten (Westfalen), 1952 begann das berufliche Leben mit einer Brauerlehre, er ging auf Wanderschaft nach Dortmund, Hamburg, Kulmbach und Augsburg. In Augsburg stellte sich wegen einer drastischen Verschlechterung seiner Sehfähigkeit die Frage nach einer neuen Existenz, nach einem neuen Beruf. Die Idee, Schlagersänger zu werden („Stimme gut, aber zu wenig charakteristisch“) hatte er zugunsten einer Ausbildung als Physiotherapeut in München verworfen. In Ingolstadt bei seiner ersten Anstellung lernte er seine spätere Ehefrau Olga Silbereisen kennen. 1963 wurde geheiratet, es erfolgte der Umzug nach Eichstätt und Dirsch wurde Leiter der physikalischen Abteilung im damals noch städtischen Krankenhaus Eichstätt. Drei Kinder wurden geboren: Andrea, Verena und Claudius.

Zweimal zeigte Willi Dirsch sein schauspielerisches Talent in der Theatergruppe der Klinik: als „Eingebildeter Kranker“ 1989 und als Richter Adam im „Zerbrochenen Krug“ 1993. Er war jahrelang Personalrat im Krankenhaus. 25 Jahre lang war er Vorsitzender der Blindenvereins in Eichstätt. Unzählige Stammtische bei der Frey-Resi moderierte er, bei vielen Einkehrtagen war er die gute Seele, zusammen mit seiner Olga die ihn durchs Leben dirigierte. Es verging kein Geburtstag, bei dem Dirsch nicht ein Musikinstrument spielte und gekonnt gedichtet hatte.

Jahrzehntelang war er der Mesner der Bruder-Klaus-Kapelle am Schneebeerenweg und Mitglied beim Musikantenstammtisch: Nach dem Ausscheiden aus dem Beruf hat er sich selber sieben Instrumente beigebracht. Er hat seinen Mund aufgemacht, bei Bürger- oder Parteiversammlungen und viele Leserbriefe geschrieben.

Am Freitag, 17. Juni, findet um 14 Uhr die Totenmesse in St. Walburg statt, anschließend Beerdigung am Friedhof.

Richard Nikol