Eichstätt
Jurahaus in der Eichstätter Westenstraße: Wenn Fachwerk Hilfe braucht

Mit viel Liebe und noch mehr Handwerkskunst wird saniert

20.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:06 Uhr

Stützen, Streben, Knaggen, Bolzen, Lager: Mehrere Wochen muss eine aufwendige Konstruktion das Fachwerk im ersten Obergeschoss und den kompletten Dachstuhl des alten Jurahauses in der Eichstätter Westenstraße tragen. Erst wenn die stabilisierende Bodenplatte gegossen ist, ruht das gesamte Gebäude wieder auf seinen Grundfesten. Fotos: Kraus/Bader

Es hat eine wechselvolle Geschichte, das Haus mit der Nummer 78 in der Eichstätter Westenstraße: 1689 erbaut, kamen darin über die Jahre mehrere Gastwirtschaften und eine Metzgerei unter. Jetzt bekommt es eine Verjüngungskur.

„Das Haus steht nicht unter Denkmalschutz, aber wir haben uns mit den Denkmalschützern abgesprochen, um das Gebäude angelehnt an den ursprünglichen Zustand wieder herzurichten“, sagt der Besitzer Michael Schneider, dessen Familie das alte Jurahaus seit 1959 gehört.

Das Gebäude wurde im Laufe der Jahre umgebaut, trotzdem ist im Erdgeschoss noch der große Gastraum zur Westenstraße hin erhalten. Im Obergeschoss, in dem die Wohnstube Platz fand, ist die alte Zimmeraufteilung fast unverändert. Doch schon bei den ersten Arbeiten stellte sich heraus, dass die Grundstruktur des Gebäudes äußerst marode ist. „Die mit Kalkmörtel zusammengehaltenen Bruchsteine der Außenmauern ließen sich mit der Hand herausziehen und Balken waren so vermorscht, dass man sie mit einem Schraubenzieher durchstechen konnte“, sagt der Zimmerer und Restaurator Michael Kraus, der den Auftrag für die Sanierung erhalten hat. Doch auch die Decke zwischen Erdgeschoss und oberem Stock war nur zum Teil in brauchbarem Zustand. „In einem Raum waren statt den Balken eigentlich nur noch Latten da“, sagt er. Nicht nur das, der Hausschwamm hat der Konstruktion genauso zugesetzt wie der Hausbock und der Trotzkopf – ein Käfer, dessen Larve sich durch die Balken frisst.

Aufwendige Stützkonstruktion nötig

Bald war klar, dass nur eine Betondecke zwischen Erd- und Obergeschoss das Gebäude stabilisieren konnte. Um diese gießen zu können, war eine aufwendige Stützkonstruktion nötig, die das Haus während des Umbaus in ihren Grundfesten sichert. Es folgte der Einbau von zwei massiven Konstruktionswänden, die über nur vier nach oben gehende Stützen und eine aufwendige Unterfangung das komplette Fachwerk des Obergeschosses und den Dachstuhl tragen mussten. „Das hat mich einige schlaflose Nächte gekostet“, sagt Kraus. Nicht nur bei der Betondecke hatten die Maurer gut zu tun: Nur zwei Außenwände im Erdgeschoss konnten erhalten werden. Doch auch sie waren so marode, dass sie durch neue Innenmauern gestützt werden mussten. Im Obergeschoss konnte zumindest ein Teil des Außenfachwerks gerettet werden. Rund 50 Prozent des Fachwerks im ersten Stock blieben damit erhalten. Aber nur, weil jeder einzelne Balken geprüft, jede vermorschte Stelle ersetzt wurde. Durch die dunkelbraunen, jahrhundertealten Balken ziehen sich jetzt neue Streben und Verplattungen. „Das neue Holz bleibt sichtbar, und es macht sogar den Charme des Bauwerks aus, den Einklang von neuer und alter Konstruktion zu sehen.“

Dachstuhl in besserem Zustand

Etwas besser war der Zustand des Dachstuhls. Hier konnten rund 90 Prozent der alten Substanz erhalten werden. Doch außer den tragenden Teilen wurden alle Sparren und Verstrebungen des Dachstuhls ausgebaut. „Wir haben jedes einzelne Teil nummeriert und mit in die Werkstatt genommen, um es sauber aufzuarbeiten.“

Nichts wurde weggeworfen: Ein Teil der Bohlendecke im Gastraum, die noch gut erhalten war und der Betondecke weichen musste, hat Kraus kurzerhand ein Stockwerk nach oben verlegt. Alte Deckenbalken wurden zudem nicht ersetzt, sondern mit neuen Balken verstärkt. Derzeit muss Kraus warten, bis das Dach gedeckt, die Fenster saniert, der Estrich gegossen sind. Nachdenklich lässt er seinen Blick durch das Gebäude schweifen. „Dann kann der Holzboden rein und es wird wirklich bärig.“

Bauherr Michael Schneider würde am liebsten schon an Weihnachten in sein früheres Geburtshaus einziehen. Doch noch ist unklar, ob der straffe Zeitplan funktioniert.

EK