Die neue Eichstätter Wintervortragsreihe „gilt einem Gegenstand, der ganz hervorragend nach Eichstätt passt und den man hier auf Schritt und Tritt antrifft – christlichen Heiligen“, betonte die Eichstätter Altgermanistin Caroline Emmelius zu Beginn ihres Auftakt-Vortrags am Mittwoch. So spielte die in Eichstätt höchst präsente Walburga eine prominente Rolle in dem Vortrag und ziert das Plakatmotiv der Reihe, die sich dem Thema „Heilige intermedial: Objekte, Formen und Praktiken in diachroner Perspektive“ widmet. Emmelius bot dazu „Weibliche Fallbeispiele zum späten Mittelalter“.
Die Reihe soll christliche Heilige „in eine Mediengeschichte der Religion einordnen“, „die sich mit Materialität, Medialität und Intermedialität der Heiligenverehrung beschäftigt“. Dabei haben Heilige „als imitable Modelle eines Lebens in der Nachfolge Christi“ eine zentrale Funktion „als kommunikative Vermittlungsinstanz, als Medium zwischen Gläubigen und Gott“. Durch sie treten die Gläubigen „in Kontakt mit der Transzendenz“. So ruft auch auf dem Plakat der Reihe eine Nonne des Mittelalters die heilige Walburga auf einem Spruchband um ihr Fürbittgebet an: „Ora pro me, Sancta Walpurga“.
Dabei handelt es sich um das „Stifterbild“ – eine Miniatur von 1360, die im Spiegel des Salbuchs der Benediktinerinnenabtei St. Walburg eingeklebt ist. Es zeigt den knieenden Klosterstifter Graf Leodegar sowie Walburga als Adlige mit Krone und Szepter in höfischer Kleidung auf einem steinernen Thron. In ihr werde „die Funktion des Mediums als Vermittlungsinstanz zwischen Irdischem und Göttlichen eindrücklich dargestellt“. Diesen Stiftungsakt datiert man auf 1035.
Die dritte Figur, eine knieende Nonne, deren Gebet zur Heiligen auf einem Schriftband steht, dürfte Äbtissin Sophia von Hüttingen (Amtszeit 1333 bis 1367) sein. Die Miniatur zeige „eine doppelte Kommunikation mit der Heiligen“: Leodegar übergibt ihr seine materielle Stiftung, die Nonne „ein immaterielles Gebet“, wobei zwei Zeitebenen verschmelzen: Der Stifterwille in der Gründungszeit des Konvents im 11. Jahrhundert mit dem Gebet um 1360, für St. Walburg eine „Zeit des umfangreichsten Gütererwerbs“. So werde Äbtissin Sophia in eine dem Stifter gleichgeordnete Position gestellt und zu seiner legitimen Nachfahrin.
„Elisabethbüchlein“ berichtet über deutsche Vita der Heiligen
Weiter führte Emmelius das „Elisabethbüchlein“ der Freiburger Klarissen von 1480 an, das eine deutsche Vita der heiligen Elisabeth von Thüringen enthält. Die Miniaturen darin betonen das Gebetsleben der Heiligen, die sonst wegen ihrer karitativen Tätigkeit, wegen Armenspeisung und Krankenpflege verehrt wird. Auch wird der Text der Legende mit Gebeten „zur persönlichen, meditativen Aneignung“ der geistlichen Leserinnen kombiniert. Als dritte „intermediale Verschränkungen in Text und Bild“ stellte Emmelius wieder eine Handschrift aus St. Walburg dar, das im 15. Jahrhundert auf Betreiben von Bischof Johann von Eych reformiert wurde, wozu er Nonnen aus Boppard am Rhein nach Eichstätt holte. Diese bringen die Legende der fiktiven Heiligen Wilgefortis, einer standhaften Jungfrau und Königstochter, mit, die vom Vater verheiratet werden soll, aber Braut Christi bleiben möchte – weshalb ihr Christus auf ihre Bitten um Entstellung hin einen Bart wachsen lässt, worauf der Vater seine Tochter zur Strafe kreuzigen lässt.
In der Handschrift aus St. Walburg heißt die bärtige Heilige „Occomeria“, der Text beginnt mit den Worten: „Das leben der heiligen junckfrawen vnd martrerin Ocomeria die in dem Jar des Herrn 1403 erhebt ist worden (…) die die leyen nennen Sant kumernus“. Wilgefortis alias Occomeria komme in Eichstätt so „mit der lokalen Verehrung einer bärtigen Heiligen zur Deckung, die im Bayerischen Kümmernis genannt wird“ – „eine komplexe intermediale Interaktion aus Bild- und Texttraditionen“.
Gebet zur Heiligen stellt kommunikative Nähe her
Emmelius zog das Fazit, dass „der zentrale Modus des Kontakts mit der Heiligen das Gebet und die Bitte um Fürsprache“ sei. Dieses Gebet zur Heiligen stehe „für die Herstellung kommunikativer Nähe“. Vor allem verweisen die Text-Bild-Konstellationen „auf eine spezifische ‚andere’ Ästhetik der vormodernen religiösen Kunst aus Frauenkonventen“. Diese Kunst könne „nicht an den zeitgenössischen Normen gemessen werden“, aber sie „generiert und transportiert geistlichen Sinn“, wobei sie sich „aller Sinne bedient“, was dann auch ihren intellektuellen Reiz ausmacht.
EK
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