Als Leon Nuhanovic auf das leere Tor zulief und den Ball einschob, war sein Trainer endgültig nicht mehr zu halten. Thomas Karg stürmte los zur Eckfahne und schlitterte auf dem seifennassen Boden mitten hinein in die Jubeltraube. Seine Elf hatte gerade das 4:2 erzielt – und das, obwohl der FC Ingolstadt II zur Pause noch mit 0:2 in Rückstand lag. Am Ende eines denkwürdigen Samstagmittags stand ein 5:2 (0:2)-Sieg der Jungschanzer gegen den VfB Eichstätt.
Wäre ein Hollywood-Autor damit beauftragt worden, ein Drehbuch für das Nachbarschaftsduell zu schreiben, er hätte wohl kaum eine bessere Story liefern können. Das Derby hatte alles, was ein Derby ausmacht: Tore, hitzige Zweikämpfe und viele Emotionen. Vor allem für die Trainer war es ein Wechselbad der Gefühle. VfB-Trainer Dominic Rühl war das nach Spielschluss anzumerken. Er wirkte konsterniert, als er erklärte: „Ingolstadt hat in der ersten Halbzeit gar nicht stattgefunden. In der zweiten Hälfte haben sie dann mehr oder weniger Slapstick-Tor erzielt.“
In der Tat waren alle fünf Gegentreffer des VfB aus der Rubrik kurios und passten irgendwie zum Spielverlauf. Ein Lob für den Gegner brachte Rühl jedenfalls nicht über die Lippen: „Wenn das der Anspruch ist für eine Mannschaft, die jeden Tag trainiert und deren Spieler Profis werden wollen, dass sie vier Slapstick-Tore schießen, dann weiß ich auch nicht mehr.“
Sein Gegenüber Karg kam dagegen aus dem Grinsen kaum noch heraus. „Wenn du in der zweiten Halbzeit fünf Tore machst und keines kassierst, dann haben die Jungs ihren Job erledigt“, lobte er. Dass in den ersten 45 Minuten aber einiges schiefgelaufen war, das war auch ihm nicht entgangen: „In der ersten Halbzeit waren wir in einigen Bereichen gar nicht gut. Wir waren zwar im Spiel und hatten viel Ballbesitz, aber wir hatten nach vorne überhaupt keine Durchschlagskraft.“
So kam es, dass nach einem verhaltenen Beginn beider Mannschaften der VfB gleich mit der ersten Chance in Führung ging: Nach einem Konter verpasste Eichstätts Pascal Schittler eine Hereingabe von Sturmkollege Leo Eberle haarscharf, die Situation schien bereits geklärt. Die Gäste setzten aber nach, Florian Lamprecht schlug eine Flanke vor das FCI-Tor, Keeper Leopold Leimeister segelte am Ball vorbei und Eberle köpfte ein (20. Minute). Nur wenig später schlug Eichstätt erneut zu: Nach einer Ecke von Timo Meixner klärte Herbert Paul am kurzen Pfosten direkt in die Füße von Lucas Schraufstetter, der trocken ins lange Eck zum 2:0 einschoss (27.).
Der VfB hatte also aus zwei Chancen zwei Tore gemacht. Beim FCI blieb offensiv dagegen vieles Stückwerk. Dazu kam, dass der Platz nach den starken Regenfällen vor dem Spiel eh schon teilweise unter Wasser stand. Nach einer halben Stunde zog dann das nächste Gewitter auf und verwandelte die Partie endgültig in eine Wasserschlacht. Nicht wenige Pässe endeten in den zahlreichen Pfützen, die den Rasen im ESV-Stadion säumten. Für die rund 300 Zuschauer bot das immerhin Unterhaltungswert.
Durchgang zwei begann mit einer Dreifachchance für die Gäste: Zweimal parierte Leimeister, beim dritten Versuch klärte Fabian Cavadias für den bereits geschlagenen Leimeister (51.). Es wäre sicherlich die Vorentscheidung gewesen. So aber konnte der FCI nochmal zurückkommen: Nach einem Zweikampf mit Schittler ging Moritz Wiezorrek im Strafraum zu Fall, der Schiedsrichter entschied auf Weiterspielen. Im Hintergrund lauerte Michael Udebuluzor, der die Kugel trocken ins lange Eck zirkelte (55.). Direkt nach Wiederanpfiff eroberte Ingolstadt unter Mithilfe einer Pfütze erneut den Ball, holte eine Ecke heraus, die Valdrin Konjuhi zum 2:2 vollendete (55.). Zehn Minute nach dem Seitenwechsel war das Spiel wieder auf null gestellt.
Eichstätt hätte daraufhin sofort zurückschlagen können, doch Leimeister lenkte einen Abschluss von Eberle aus kurzer Distanz sensationell noch an das Lattenkreuz (60.). Fast im direkten Gegenzug steckte Konjuhi durch auf Udebuluzor, der scheiterte zunächst an VfB-Keeper Manuel Jurkic, stocherte den Ball dann aber mit der Hacke zum 3:2 ins Tor (62.) – Spiel gedreht.
Von Eichstätt war danach nicht mehr viel zu sehen. Stattdessen erhöhte Nuhanovic nach einem bösen Schnitzer von Jurkic auf 4:2 (69.). In der Nachspielzeit ging schließlich der eingewechselte Leandro Casale allein auf den VfB-Torwart zu, Jurkic parierte, der Ball prallte aber an Johannis Zimmermann und von dort ins eigene Tor (90.+1). Slapstick par excellence – und es stand 5:2.
„Man merkt, dass bei den Spielern, die vom letzten Jahr noch da sind, das Nervenkostüm noch nicht so stabil ist. Wir waren einfach in vielen kleinen Momenten nicht mehr so präsent wie vorher“, meinte Eichstätts Coach Rühl. Für sein Team geht es bereits am Dienstag (19 Uhr) weiter mit der Toto-Pokal-Partie beim SV Manching. Die Schanzer sind dagegen erst am Freitagabend (19 Uhr) auswärts bei der DJK Gebenbach im Einsatz. Fürs Erste ist Coach Karg zufrieden mit dem Saisonauftakt: „Ich bin stolz auf die Jungs, die sich so reingefetzt haben trotz der Englischen Woche. Wir sind froh, dass wir mit sechs Punkten da rausgehen.“
EK
FC Ingolstadt II: Leimeister – Birkl (46. Dimitriadis), Paul, Cavadias, Perconti – Hoti (46. Casale), Schwarzensteiner (46. Nuhanovic), Götzendörfer, Wiezorrek (89. Atak) – Udebuluzor (74. Fofanah), Konjuhi. VfB Eichstätt: Jurkic – Herger (69. Hollinger), Fiedler (46. Nitaj), Zimmermann, Lamprecht – Wolfsteiner, Schraufstetter, Halbmeyer, Meixner – Schittler, Eberle.
Tore: 0:1 Eberle (20.), 0:2 Schraufstetter (27.), 1:2 Udebuluzor (55.), 2:2 Konjuhi (56.), 3:2 Udebuluzor (62.), 4:2 Nuhanovic (69.), 5:2 Zimmermann (90.+1/Eigentor). – Schiedsrichter: Hummel (Betzigau). – Zuschauer: 300.
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