Das ganze Schulhaus als Bühne
Theatergruppe des Beilngrieser Gymnasiums: Den „Woyzeck“ grandios interpretiert

28.06.2023 | Stand 14.09.2023, 22:29 Uhr |

„Stich sie tot“, so hört es Woyzeck in seinem Kopf. Bei den Darbietungen der Gymnasiums-Theatergruppe durften sich die Zuschauer nicht nur am schauspielerischen Können erfreuen, sondern auch an einem besonderen Ambiente, unter anderem mit Blick über Beilngries. Foto: F. Rieger

Den Woyzeck hat die Theatergruppe des Beilngrieser Gymnasiums zur Aufführung gebracht. Dabei machten sich die Schülerinnen und Schüler das komplette Schulareal zur Bühne.

„Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Natürlich darf dieses Zitat des weltberühmten Dramas „Woyzeck“ bei der wunderbar gelungenen Interpretation des Stücks durch die Theatergruppe des Beilngrieser Gymnasiums nicht fehlen. Vielmehr ziert es sogar den Einladungs-Flyer.

Erbsendiät, Untreue und eine schlimme Tat



Ja, menschliche Abgründe tun sich wahrlich auf bei diesem Stück. Da ist der Hauptmann, der sich von Woyzeck den Bart rasieren lässt – und ihn in aller Öffentlichkeit demütigt. Da ist der Doktor, der Woyzecks finanzielle Schieflage ausnutzt, um ihn als menschliches Experiment zu missbrauchen – mit einer Erbsendiät, die möglichst „interessante“ Spuren an Körper und Seele hinterlassen soll. Da ist Marie, die ein uneheliches Kind mit Woyzeck hat – und dann untreu wird. Ja, und da ist Woyzeck, der immer mehr dem Wahnsinn anheimfällt – und schließlich seine geliebte Marie ersticht.

All das hat die neu formierte Theatergruppe des Gymnasiums unter der Leitung von Lehrerin Stefanie Merk am Montag- und Dienstagabend bravourös zur Aufführung gebracht. Und vor allem kreativ. Denn dieser „Woyzeck“ wurde keineswegs nur auf der Bühne in der Aula gespielt.

Vielmehr war das Publikum, aufgeteilt in mehrere Kleingruppen, dazu eingeladen, sich durch das gesamte Schulhaus, dessen Umfeld, den Pausenhof und sogar hinauf auf den „Turm“ mit grandiosem Blick über Beilngries zu begeben. Die Zuschauer zogen auf diese Weise von Schauplatz zu Schauplatz – und wie von Zauberhand funktionierte alles genau so, dass sich die Gruppen nicht in die Quere kamen, ehe zum dramatischen Finale wieder alle an die Bühne zurückkehrten.

Immer wieder: „Stich sie tot!“



Den Darbietungen war anzumerken, dass sie mit wahnsinnig viel Liebe zum Detail einstudiert worden waren. Die Stimmen, die Woyzeck in seinem Kopf hört – „Stich sie tot“ – erschallten an einem der Schauplätze so hintergründig, als wirbelten sie tatsächlich irgendwo tief drin zwischen Seele und Gehirn. Passend dazu ging es für das Publikum durch eine kunstvolle gestaltete Zwischenpassage mit Lichteffekten, Gliederpuppen und einer Wand, auf der nicht nur einmal dick und fett stand: „Stich sie tot.“

Am wichtigsten bei all dem waren aber freilich die schauspielerischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Und die waren ohne Übertreibung durch die Bank bühnenreif. Mit einem beeindruckenden Selbstbewusstsein spielten die Jugendlichen nicht nur vor, sondern auch mit ihren Zuschauern. Besonders begeisternd: Die langen Monologe der oftmals alleine auftretenden Figuren, vom Hauptmann bis zum Doktor, bei denen die Akteure voll und ganz in ihren Rollen aufgingen.

Schulleiterin Sabine Nolte-Hartmann: „Theater ist wichtig“



Kurzum: Den kräftigen Applaus hatten sich die insgesamt 23 Schülerinnen und Schüler der heuer nach Corona wieder gestarteten und neu zusammengestellten Theatergruppe um Leiterin Stefanie Merk mehr als verdient. Einen Dank sprachen die Darsteller außerdem an Lehrer Matthias Staller, die Fachschaft Kunst und das Technikteam aus. Und Schulleiterin Sabine Nolte-Hartmann brachte bei der Premiere auf den Punkt, was nach diesen beiden Theaterabenden am Beilngrieser Gymnasium wohl alle Anwesenden guten Gewissens unterschreiben würden: „Theater ist wichtig – und zwar vor Ort. Keine noch so tolle Online-Performance kann das ersetzen.“

rgf

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