Bei ihrem internationalen Durchbruch musste sie noch ihren Heimflug umbuchen und um eine Schulbefreiung bitten, so überraschend kam der Finaleinzug. Jetzt vertritt Lorena Brandl aus dem Landkreis Eichstätt den deutschen Taekwondo-Sport bei Olympia in Paris.
Im Jahr 2015 musste der damalige Damen-Bundestrainer noch einiges an Überzeugungsarbeit beim Präsidium leisten und es sich fast schon erstreiten, dass er die damals 18-jährige Brandl zur Weltmeisterschaft mitnehmen darf. Neun Jahre später ist die Pförringerin das Aushängeschild der deutschen Taekwondo-Szene und die einzige aus dem Verband, die sich für die Sommerspiele qualifizieren konnte.
Großes Talent und Potenzial schon als Teenager
Der ehemalige Bundestrainer Carlos Esteves war das seinerzeit, der in der jungen und natürlich noch recht ungeschliffenen Taekwondo-Kämpferin großes Talent und Potenzial gesehen hatte. „Wenn ich daran denke, wie sportlich ich 2015 war und jetzt bin, ist das ein heftiger Unterschied. Und der hat das damals schon erkannt, das finde ich schon krass“, sagt die heute 27-jährige Brandl rückblickend.
Und Esteves weiß offenbar, was es braucht, um bei Olympischen Spielen für Furore zu sorgen, immerhin hat er die bisher einzige deutsche Frau trainiert, die eine Medaille im Taekwondo erkämpfen konnte: Helena Fromm hat 2012 in London unter seiner Regie Bronze geholt. „Und jetzt habe ich zwölf Jahre später mit dem 10. August den exakt gleichen Kampftag“, sagt Brandl mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
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Vom Tanzsport zur Kampfkunst
Das Talent der Sportlerin aus dem Landkreis Eichstätt für die südkoreanische Kampfkunst zeigte sich schon früh. Dabei fing alles ganz harmlos an. „Ohne Hintergedanken“ habe sie sich in jungen Jahren einfach mal mit Freundinnen den Taekwondo-Verein im Nachbarort Mindelstetten angeschaut. „Ich war in der Faschingsgarde, ich war Einradfahren, ich habe Gitarre gespielt. Taekwondo war etwas ganz anderes, und deswegen hat es mich so interessiert. Und irgendwie hat es mir so Spaß gemacht, dass ich dabei geblieben bin“, sagt Brandl, deren Vater einst die japanische Kampfsportart Judo praktiziert hat. Als ihr kleiner Verein 2011 mit dem deutlich wettkampforientierteren Nachbarverein zum „Team Tiger and Dragon Altmannstein/Mindelstetten“ fusioniert, wird Trainer Bernhard Bruckbauer aus Sandersdorf auf Brandl aufmerksam. „Er hat mich angeschaut und gesagt: ,Du hast lange Beine, du bist groß – irgendwie hast du einen richtig guten Wettkampfkörper. Da kann etwas Großes daraus werden.‘“
Trainer Bernhard Bruckbauer ist großer Förderer
Und es dauerte nicht lange, bis Teenager Brandl – ständig begleitet und gefördert von Trainer „Bernie“ Bruckbauer – auf internationaler Bühne kämpft. An ihren Durchbruch erinnert sie sich noch genau. Ihr überraschender Finaleinzug in Spanien (2013) hatte damals sämtliche Pläne über den Haufen geworfen: „Da hat uns der Bernie dann überrascht und den Flug auf den nächsten Tag umgebucht, damit ich das Finale noch kämpfen kann.“ Während sich die Eltern zuhause also um eine weitere Schulbefreiung kümmern, holte die Realschülerin in Spanien ihre erste internanationale Medaille (Silber). Schon damals an Brandls Seite: Taekwondo-Kämpferin Vanessa Körndl aus Altmannstein, die bis heute zu ihren engsten Vertrauten zählt.
Bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr
Nach Brandls dreijährigen Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik, die sie erfolgreich abschließt – „das war mir wichtig“ – folgt 2016 der nächste Schritt, nämlich die volle Konzentration auf den Sport. Sie schließt sich der Sportfördergruppe der Bundeswehr an, drei Jahre später geht es für sie gemeinsam mit Teamkollegin Körndl und Heimtrainer Bruckbauer an den neu eröffneten Bundesstützpunkt in Nürnberg, wo sie sich endgültig in die Weltspitze kämpft.
Spiele in Tokio noch knapp verpasst
Schon 2021 wäre ihr großer Olympia-Traum beinahe in Erfüllung gegangen. Doch eine Corona-Infektion rund zwei Monate vor dem Qualifikationsturnier hinterließ ihre Spuren. Letztlich scheitert sie an Konkurrentin Althéa Laurin und muss dann vom Bildschirm aus zusehen, wie sich die Französin wenig später in Tokio Bronze erkämpft.
Aus der Traum? Einmalige Chance verpasst? Nein, Brandl geht in den Angriffsmodus über: „Mein Ziel danach war einfach. Ich habe immer gesagt, ich will nie wieder zu diesem Quali-Turnier, weil das nervlich einfach Horror ist. Und deswegen habe ich gesagt: Ich will es direkt schaffen.“ Ihr Blick richtet sich auf die nächsten Spiele in Paris. Die Sportsoldatin arbeitet in den drei Jahren noch enger mit ihrer Mentaltrainerin zusammen – und hält durch günstige Konstellationen im Januar 2024 tatsächlich ihr Ticket in den Händen. Ganze zwei Monate hatte die WM-Dritte von 2022 zu diesem Zeitpunkt bereits gehofft und gebangt.
Seit Samstag im Olympischen Dorf
Dabei profitierte Brandl ausgerechnet von der Französin, die ihr damals die Spiele in Tokio gekostet hatte. Denn nur weil die Weltranglistenführende als Athletin des Gastgeberlandes für die Spiele gemeldet wurde, rückte Brandl in der Rangliste auf den letzten direkten Quali-Platz. „Der Kreis schließt sich mit der gleichen Athletin, das ist schon Wahnsinn.“ Nun ist die Vorfreude auf die Spiele riesig. „Ich bin unfassbar stolz, dass ich Taekwondo in Paris vertreten darf. Ich sehe die ganze Zeit auf Instagram, dass die anderen Team-Deutschland-Athleten schon anreisen. Ich kann nicht mehr warten“, sagt die neunfache Deutsche Meisterin. Seit Samstag ist Brandl (+67 Kilogramm) im Olympischen Dorf.
Sogar Mindelstettens Bürgermeister ist vor Ort
Doch das Team um Brandl wird bedeutend größer sein. Denn auch Coach Bruckbauer sowie Teamkollegin und Freundin Körndl, die die Qualifikation in ihrer Gewichstklasse nicht geschafft hat, werden sie vor Ort unterstützen. „Die beiden sind seit Anfang an ein riesiger Teil meiner Karriere und meines Erfolgs, wir trainieren jeden Tag zusammen. Dass Vanessa als Trainingspartnerin und Bernie als Heimtrainer mit dabei sind, ist wie ein Jackpot für mich.“ Außerdem zur Unterstützung in Paris: Eltern, Partner, Freundinnen – und Mindelstettens Bürgermeister Alfred Paulus.
„Ich habe beste Voraussetzungen, um in Paris Vollgas zu geben. In meinem Kopf ist eine olympische Medaille“, sagt die 27-Jährige, die nach ihrer grandiosen Generalprobe im Mai als frischgebackene Europameisterin nach Paris reist. Am Samstag, 10. August, wird Brandl ihre Olympia-Premiere feiern – in einem mehr als würdigen Rahmen. Die Taekwondo-Wettbewerbe finden nämlich im berühmten Pariser Ausstellungsort Grand Palais statt, der für seine bezaubernde Glaskuppel bekannt ist. „Ich war noch nie in so einer solch schicken Wettkampfhalle und werde es, glaube ich, auch nicht mehr sein. Ich werde jede Sekunde auf mich wirken lassen.“
ZEITPLAN
• Die Taekwondo-Wettkämpfe im Grand Palais von Paris laufen von 7. bis 10. August. Brandls Gewichtsklasse +67 Kilogramm startet am 10. August um 9:09 Uhr.
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