Kultur in der Flur
Rund 50 Marterl in Stammham als Zeichen der Erinnerung, der Dankbarkeit oder zu Gottesehren errichtet

18.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:57 Uhr

Direkt an der Ortseinfahrt Westerhofen findet sich ein besonderes Denkmal: Laut Werner Adolf könnte es sich dabei um ein steinernes Sühnekreuz handeln, das in früheren Tagen zur Sühne für einen begangenen Mord oder Totschlag errichtet wurde. Sühnekreuze standen meist an Wegen und Wegkreuzungen. Gewissheit gebe es aber nicht, „da streiten sich die Gelehrten“, meint Adolf. Fotos: Werner

Marterl gelten als Zeugen der Vergangenheit und erzählen Geschichten längst vergangener Tage: Zu finden sind sie in der Flur, an Wegrändern oder manchmal auch mitten im Wald oder im dichten Gebüsch.



Knapp 50 Stück davon gibt es in der Region rund um Stammham, Westerhofen und Appertshofen. Doch nur selten weiß man gewiss, was es mit diesen Denkmälern auf sich hat, welche Geschichte sie mitbringen, wer sie aufgestellt hat und aus welchem Grund. Der Stammhamer Werner Adolf hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerungsstücke zu suchen und aufzulisten.

Zum Innehalten, Besinnen und Nachdenken

Viele von den Marterln, die Werner Adolf gefunden hat, haben schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, und das sieht man ihnen an. Wind und Regen haben Spuren hinterlassen. Wiederum andere seien noch in einem sehr guten Zustand, da es Menschen gebe, die sich um den Erhalt kümmern, sagt Adolf. Die Gründe, warum Marterl aufgestellt werden, sind vielfältig. Oft haben sie einen religiösen Hintergrund, sind Andachtsstätte in der Landschaft, die die Menschen zum Innehalten, Besinnen und Nachdenken einladen sollen.

Es gibt aber auch Kleindenkmäler, die als Zeichen der Dankbarkeit errichtet wurden, beispielsweise für überstandene Seuchen oder Gefahren. „Ein Ehepaar aus Stammham hat ein Denkmal aufgestellt, nachdem sie einen Stall abgerissen haben, der baufällig war.“ Der Abriss des Gebäudes glückte ohne Zwischenfälle. Der Dank des Ehepaars war ein Kreuz in der Flur, angefertigt aus den alten Balken des Stalls. Wiederum andere Marterl erzählen von Kriegen, Not, vermissten Menschen oder von tragischen Unglücksfällen beispielsweise bei Holzarbeiten.

Besonderes Kreuz im Westen von Appertshofen



Ein besonders schönes Feldkreuz steht in den Fluren im Westen von Appertshofen: Ein einarmiger Schäfer (oder ein einhändiger – da sind sich die Quellen nicht einig) soll das Kreuz im Jahr 1860 errichtet haben. Ausgestattet ist es unter anderem mit Würfel, Sanduhr, Säge, Leiter, Schwert und Dornenkrone – den Leidenswerkzeugen Christi, die der Volksglaube als Heilsbringer umgedeutet habe.

Manchmal stehen Marterl für Schicksalsschläge und dienen der Erinnerung. So gibt es in Stammham an der Kreuzung Salvatorstraße und Industriewerk ein Marterl, das 1918 von Familie Blum errichtet wurde. „Ihr damals einziger Sohn musste nach China in den Boxerkrieg und kam nie mehr zurück. Er wurde als vermisst gemeldet“, weiß Adolf.

Die Geschichte hinter den Marterln erfahren

Es sind Geschichten wie diese, die Adolf nun in den kommenden Monaten herausfinden will. Dass da noch eine Menge Arbeit auf ihn und seine Töchter, die ihn tatkräftig unterstützen, zukommt, weiß er. „Es interessiert mich einfach, was die Geschichte hinter den Denkmälern ist“, sagt er.

In den vergangenen zwei Jahren hat Adolf sämtliche Wälder der Region durchforstet. Stets mit offenem Blick, um keine der teils versteckten historischen Hinterlassenschaften zu übersehen. Im nächsten Schritt gehe es nun darum, mehr über die Geschichten der Marterl zu erfahren, dazu wird er mit vielen Leuten sprechen. „Ich will, dass die Geschichte, die hier zu meiner Heimat gehört, erhalten bleibt“, so sein Ziel.