Obwohl sich der Mensch heute als sesshaft bezeichnet, ist er ständig unterwegs und trägt zu einem großen Teil zur Klimaveränderung bei. Das Nomaden-Gen liegt uns im Blut. Hätte sich der Homo sapiens nicht vor langer Zeit von Afrika aus auf den Weg gemacht, wäre die nördliche Halbkugel nach wie vor unbewohnt. Die heutigen Migrations- und Integrationsprobleme wären nie zum Problem geworden, Diskriminierung wäre kein Thema. So stand die Interkulturelle Woche 2023 des Landkreises Eichstätt unter dem Motto „Kein Platz für Diskriminierung“. Zum Abschluss der Themenwoche fand im Kinosaal 1 des Alten Stadttheaters die Vorführung des beeindruckenden Dokumentarfilms „Heimaten der Töchter“ von der Münchner Regisseurin Uli Bez mit anschließender Podiumsdiskussion statt.
Fünf Frauenschicksale im Film von Uli Bez
Im Film geht es um fünf Frauen: Paloma, Vicky, Agata, Melis und Nadira. Sie leben in Reutlingen, Tübingen und Sonnenbühl und haben alle eine Migrationsgeschichte, denn ihre familiären Wurzeln liegen in Brasilien, Griechenland, Polen, der Türkei und Usbekistan. Vier der Frauen erzählen in beeindruckender Weise mit Charme und Tiefgang von ihren Beweggründen ihre alte Heimat zu verlassen, vom Ankommen und Erlebten in der neuen Heimat.
Vicky ist als Kind einer griechischen Gastarbeiterfamilie in Stuttgart geboren. Hatte es aber als introvertiertes Kind zunächst nicht leicht gehabt. Bis zur Einschulung sprach sie kein Deutsch, ihre Eltern haben die Sprache nie gelernt. Erst in der Schule eignete sie sich die Sprache an, bis zur 4. Klasse wurde sie in Deutsch nicht benotet. Alle fünf Frauen erzählen in sympathischer Art und Weise, die den Zuschauer sofort in den Bann zieht und ihm eine neue Sichtweise eröffnet. Uli Bez versteht es, die Protagonisten ihre Herzen öffnen zu lassen und sie wirken damit echt und authentisch. Trotz der langen Dialogen war der Film niemals langweilig, dafür sorgte auch der gute Schnitt, für den sich ebenfalls Bez verantwortlich zeichnete.
Der Film wäre gerade jetzt im Wahlkampf jeden anzuraten, der geneigt ist, den rechten Populisten sein Ohr zu leihen. Anhand dieser fünf Frauen ist ersichtlich, welche Bereicherung Integration für unsere Gesellschaft darstellt. Zur Podiumsdiskussion begrüßte die Moderatorin Nicole Lorenz, Gemeinderätin und Integrationsbeauftragte aus Hepberg, Landrat Alexander Anetsberger, Karin Scherschel von der KU Eichstätt-Ingolstadt, Lehrstuhl für Flucht und Migrationsforschung, die Regisseurin Uli Bez sowie eine der Darstellerinnen, Agata Dukat. Vor Beginn der Diskussion überreichte Anetsberger an die Zweite Vorsitzende der Kriegskinderhilfe Roth, Anke Schmidt, einen Scheck über 450 Euro. Dieser Spendenbetrag kam beim „Fest der Kulturen“ in Lenting zusammen.
Lorenz führte erfrischend charmant, witzig und souverän durch die Podiumsdiskussion. Auf ihre Frage „Was ist Heimat?“ erklärte Karin Scherschel, dass es hierfür keinen wissenschaftlichen Begriff gibt, er ist viel mehr eine Kategorie, die jeder Mensch anders interpretiert. Uli Bez wählte deshalb auch den Titel „Heimaten der Töchter.“ Sie zeigte auch auf, dass sie ihrem Film nicht das Label Migration anheften will, sondern mehr von Expertisen der fünf Frauen spricht, denn alle haben verschiedene Biografien, die sie stark gemeistert haben. Es ist auch schon ihr neuer Film „Rebellische Töchter“ im Kasten, der noch geschnitten werden muss. Anetsberger beeindruckte im Film besonders die Aussage von Melis, die sich nichts mehr wünscht als Respekt.
Anetsberger kommt zu dem Schluss: „Der Erfolg der Integration basiert auf dem Respekt.“ Derzeit arbeite sein Team an einem Integrationskonzept, dass zukünftig als Arbeitsgrundlage dienen soll. „Mir ist aber auch bewusst, dass das kein Allheilmittel für die Bewältigung der derzeitigen Fluchtmigration sein wird. Die Kommunen und Landkreise sind an ihre Grenzen des Machbaren gestoßen“, sagte Anetsberger. Gerade im Landkreis Eichstätt werde es immer schwieriger Wohnraum zu beschaffen, die Kinder in Kindergärten und Schulen unterzubringen etc. Die Liste sei unendlich. Die Gesellschaft habe noch keine Antworten auf dieses Problem gefunden. Es handle sich um eine Aufgabe, die nicht endet. Andere Projekte hätten alle ein Ende in Sicht, hier habe man ein Fass ohne Boden. Scherschel sieht gerade in der heißen Phase des Wahlkampfs, dass die Populisten die Migrationsfrage gerne aufgreifen, um mit Lügen und Halbwahrheiten auf Stimmenfang zu gehen und die Stimmung in der Bevölkerung vergiften.
Erst nach dem Wahlkampf werde man wieder auf eine sachliche Ebene bei der Bewältigung der Probleme zurückkehren können. Sie sieht aber auch den Staat in der Verpflichtung für professionelle Strukturen zu sorgen. Es könne nicht das Meiste auf die Schultern der Ehrenamtlichen abgeladen werden. Viele freiwillige Helfer hätten aufgrund der permanenten Überlastung aufgegeben oder stehen kurz davor. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Ohne Ehrenamtliche Aufgaben nicht zu stemmen
Der Landrat dankte den Ehrenamtlichen für ihr beherztes Engagement, ohne deren Einsatz und Hilfe wäre so manche Aufgabe nicht mehr zu stemmen. In seinem Resümee zur Interkulturellen Woche zeigte er sich stolz auf sein Team um den Projektleiter Slaven Boban. Es hat eine Vielzahl verschiedenster Aktionen im Landkreis erfolgreich auf die Beine gestellt. Uli Bez konnte sich dem Lob des Landrats nur anschließen. Sie war jetzt mit ihrem Film auf vielen Interkulturellen Veranstaltungen im Bundesgebiet unterwegs. Was Slaven Boban und sein Team für ein Programm auf die Beine gestellt haben, ist eines der besten, was sie bisher gesehen habe. Dafür gab es lang anhaltenden Beifall des Publikums. Dukat wies darauf hin, was Deutschland nach dem Krieg mit all den Flüchtlingen geleistet hat. Es lag wirtschaftlich am Boden und hat Millionen von Flüchtlingen integriert. Darauf könne man stolz sein und Kraft schöpfen für die weitere Bewältigung der derzeitigen Flüchtlingskrise. Zufrieden schloss Lorenz die Diskussionsrunde mit dem Dank an alle Beteiligten ab und eine großartige Interkulturelle Woche fand ein erfolgreiches Ende.
EK