Altmannstein
Herzliche Hüttenberger Hiebe für die Altmannsteiner

Eine Delegation aus dem Schambachtal besucht den traditionellen Reiftanz in der Partnergemeinde in Kärnten

16.06.2022 | Stand 16.06.2022, 11:23 Uhr

In der Laubhütte nahmen neben Reiftanzbraut Magdalena Kraxner und Bergkommissär Alfred Zechling auch die Ehrengäste aus Altmannstein – Bürgermeister Norbert Hummel, Künstler Werner Engelmann und Georg Halbritter – Platz. Zu den Klängen der Bergkapelle präsentierten die 24 Reiftänzer die wochenlang einstudierten Tanzfiguren. Fotos: K. Schmied

Eigentlich muss man es als Familienfest bezeichnen. Schließlich pflegt Altmannstein – vor allem aber Steinsdorf – seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen nach Kärnten. Schätzen gelernt hat man sich lange vor der offiziellen Besiegelung der Partnerschaft zwischen der Marktgemeinde und der Gemeinde Hüttenberg im Jahr 2010. Der Besuch des Reiftanzes mit dazugehörigem Pritschen war darum vor allem eines: ein herzliches Wiedersehen.

Von Kathrin Schmied

Sobald das langgezogene Tal beginnt, fühlt es sich an, als käme man nach Hause. Sogar, wenn man hier noch gar nicht war. Es ist nur so ein Gefühl, aber die Gemeinsamkeiten zwischen Südösterreich und Süddeutschland, zwischen Kärnten und Oberbayern, zwischen Hüttenberg und Altmannstein liegen auf der Hand. Noch mehr: Sie springen einem ins Auge – und dann direkt ins Herz. „Wenn nix mehr kommt, kommt Hüttenberg“, sagt Markus Feßlmeier mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Altmannsteiner Marktrat gondelt mit der siebenköpfigen Bürgerbus-Crew seit 8 Uhr Richtung Partnergemeinde und weiht die Neulinge schon einmal in das eine oder andere Geheimnis über den Bestimmungsort und seine Menschen ein. Es ist Freitag, und bis man am Sonntag gegen 17 Uhr wieder die Heimreise antritt, wird man selbst das Wesen der österreichischen Freunde ergründet haben, die – so vermutet man – schon vor der Ankunft der Altmannsteiner ebenso in Vorfreude baden wie die Gäste aus dem Schambachtal.

Wörthersee. Weit hinter der Grenze nach Österreich trifft man zum ersten Mal an diesem langen Wochenende auf alle, die man schon kennt: Der „große Bus“ hat die Steinsdorfer hierher transportiert. Die Mitglieder der Schambachtaler Blaskapelle haben ihre Instrumente an Bord, die Feuerwehrleute Fahne und Taferl dabei. Und natürlich die Uniform. Und mindestens einen weiteren großen Bus voller guter Laune. Nach einer Schifferlfahrt treten die Bayern die letzte Etappe an. Nur noch einen Zwischenhalt muss der Bürgerbus einlegen: Beim Billa werden schon mal Bananen und Bier für die Heimfahrt besorgt, Proviant ist schließlich wichtig. Gegen 17 Uhr erreicht man Knappenberg und damit das Domizil für die Nächte. Im Jufa-Hotel liegen sich die ersten Hüttenberger und Altmannsteiner in den Armen, Hans Kuffer, der als Chef der Schambachtaler und Organisator der Reise an diesem Wochenende im Allround-Einsatz ist, tauscht mit Hoteldirektorin Jutta Arztmann die Neuigkeiten seit dem letzten Treffen aus.

Im Musikzentrum Knappenberg spielen die Schambachtaler den Kameradschaftsabend an. Blech glitzert im Sonnenuntergang, der durch das Panoramafenster grüßt. „Nach zwei Jahren haben wir heute endlich wieder die Gelegenheit, bei einem Fest zusammen zu sein. Was könnte da besser passen, als der Bayerische Defiliermarsch?“ Josef Ofner, Bürgermeister von Hüttenberg, steht mit Bernhard Arbesmeier, Vize-Bürgermeister von Altmannstein, und Rupert Leikam, Obmann der Reiftänzer und Reiftanzführer, auf der Bühne und eröffnet die Feier, die bis in die frühen Morgenstunden dauern wird und bei der die Schambachtaler gemeinsam mit der Bergkapelle Hüttenberg Stücke erklingen lassen. Er freue sich, dass die Kameraden – nein: die Freunde – aus Bayern beim wichtigsten Fest der Gemeinde, dem Reiftanz, mit dabei sind. Die offizielle Partnerschaft der Gemeinden begann 2010. Im Jahr 2020 hätte man die zehnjährige Verbundenheit feiern können – wenn nicht die Pandemie dazwischen gekommen wäre. „Also holen wir das jetzt zumindest ein bisserl nach.“ Und selbst, wenn man sich lange nicht begegnet sei: „In diesen zwei Jahren waren wir vom Herzen her immer verbunden. Wir haben uns zwar nicht sehen können, aber wir haben uns gespürt.“

Um nachzuholen, was nachzuholen ist, sprechen die Bayern den Österreichern auch gleich einige Einladungen aus: Arbesmeier zur 100-Jahr-Feier des TSV Altmannstein, Vorsitzender Reinhard Dichtl zur 100-Jahr-Feier des Krieger- und Kameradenvereins Steinsdorf im kommenden Jahr, das im Rahmen eines Dorffests gefeiert werden soll, und Vorsitzender Alexander Schilling zur 140-Jahr-Feier der Steinsdorfer Feuerwehr im Jahr 2024. „Wir nehmen die Einladungen gerne an“, lässt der Ofner Seppi verlauten und nimmt gerne auch das flüssige Gastgeschenk und eine Figur des heiligen Florian entgegen. Überhaupt: „Das Karma der Geschichte hat zugeschlagen.“ Die Wehr hat nämlich ihre Vereinsfahne dabei, an der nach dem Auspacken unglücklicherweise etwas kaputt gegangen ist. Freunde wären keine Freunde, hätte sich nicht sofort ein Hüttenberger gefunden, der den Schaden bis zum Festauszug am Sonntag beseitigt hätte. Wie damals beim 35. Bezirksmusikfest in Steinsdorf 2011, als des Stabführers Ofner Stock zerbrach – und von einem bayerischen Freund quasi über Nacht repariert wurde. Und so treffen Arbesmeiers Worte das Wesen der gegenseitigen Verbundenheit: „Das hier ist keine Partnerschaft zwischen Gemeinden, sondern eine Freundschaft zwischen Menschen.“

Die Nacht ist lang, die Ruhe kurz. Die Spurensuche beginnt. Der Same für die so prächtig blühende Freundschaft liegt im Wirken des Künstlers Werner Engelmann in Hüttenberg rund um den legendären Tibet-Kenner Heinrich Harrer. Engelmann schuf den Lingkor – einen tibetanischen Pilgerpfad – und gestaltete am Harrer-Museum mit. Dorthin führt der Weg am Samstagvormittag. Neben Ausstellungsstücken aus Harrers Leben als Bergsteiger gibt es Exponate seiner Forschungsreisen zu sehen – vor allem aus Tibet. Platz bekommen hat auch der Thron, der für den Besuch von Tendzin Gyatsho angefertigt wurde. Der 14. Dalai Lama segnete den Lingkor bei seinem Besuch in Hüttenberg am 23. Oktober 2002. Ihn und Heinrich Harrer verband eine Ende der 1940er-Jahre geknüpfte Freundschaft. In Hüttenberg gehen im Wind flatternde Gebetsfahnen eine kraftvolle Symbiose mit der Alpenkulisse ein. Man spürt, wie tief der große Sohn der Gemeinde seine Heimat immer noch prägt.

Bergbau. Auch er ist eine Facette, die zum Charakter Hüttenbergs gehört. Sichtbarer Ausdruck gelebter Tradition ist der alle drei Jahre stattfindende Reiftanz. Am Samstagnachmittag bestreiten Reiftänzer und Bergkapelle auf dem Schachtplatz vor dem Schaubergwerk in Knappenberg die Generalprobe für das Laubhüttenfest am Dreifaltigkeitssonntag. Es ist ihre achte Probe – und die erste im Bergkittel. Am ersten Samstag nach Ostern begann der Reigen der Probeaufführungen, damit zum großen Festakt am Röstplatz alle Bewegungen und alle Töne sitzen. Während die 24 Reiftänzer in ihrer Tracht schwitzen, tauchen die Gäste aus Bayern ein in 2500 Jahre Bergbau. „Glück auf“ schallt es von den feuchten Stollenwänden wider. Bis 1978 wurde in Hüttenberg das Ferrum Noricum abgebaut. Um das Eisenvorkommen im Hüttenberger Erzberg wussten schon die Römer. Von der harten Arbeit unter Tage geblieben ist das 1980 eröffnete Schaubergwerk. 900 Meter windet sich ein für die Öffentlichkeit begehbarer Erbstollen aus dem Jahr 1567 vorbei am einstigen Maschinenraum, an den typischen Werkzeugen Schlägel und Eisen, die das international gebräuchliche Symbol für den Bergbau bilden, und an einer Grotte für die heilige Barbara, der Schutzpatronin des stolzen Bergmannsvolks. Ihre Geschichte ist am an diesen Tagen allerorten zu sehenden Bergmannskittel abzulesen: 29 Knöpfe für die 29 Lebensjahre der heiligen Barbara, die drei obersten davon offen als Zeichen der Dreifaltigkeit und damit ihres christlichen Glaubens, ein neunzackiger Perlinkragen für ihre neunjährige Gefangenschaft.

In Uniform und Tracht hüllt sich die Altmannsteiner Delegation am Sonntag. Der Höhepunkt der Fahrt steht kurz bevor. Bevor Schambachtaler Blaskapelle und Steinsdorfer Feuerwehr zur Festarena marschieren, findet in der Pfarrkirche Hüttenbergs ein Gottesdienst statt. Diesen zelebriert Pater Anton Wallner – mit viel Humor und einer von ausladenden Gesten begleiteten Predigt. Der Geistliche nimmt später in der Laubhütte Platz, ebenso wie Altmannsteins Bürgermeister Norbert Hummel, Werner Engelmann und Georg Halbritter, die noch am Samstag eingetroffen sind. Der Ehrenplatz im Ehrengastreigen gebührt auch diesmal der Reiftanzbraut: Magdalena Kraxner nimmt an der Seite von Bergkommissär Alfred Zechling Platz. „Obermoar, walte deines Amtes“, läutet Reiftanzführer Leikam das von Tausenden Zuschauern bei Kaiserwetter beobachtete Spektakel ein. Die Bergkapelle spielt, die Reiftänzer vollführen ihre Figuren, Hans Obermoar und der Schalksnarr treiben ihre Späße. Dem Pritschen – gemeint sind drei Schläge auf das Hinterteil jedes Ehrengasts als Glücksgruß bis zum nächsten Reiftanz – entgehen auch die Altmannsteiner Granden nicht – und nehmen’s mit Humor. Schließlich kennt man die Gepflogenheiten der Partnergemeinde bestens.

Aufhören soll man, wenn’s am schönsten ist. Die Hüttenberger werden am Pritschmontag noch gehörig ihre Tradition feiern. Die bayerischen Freunde brechen am Sonntagnachmittag gen Altmannstein auf. Heraus aus dem langgezogenen Tal, zurück in die andere Heimat.

DK