Berührende Momente
Finissage der Ausstellung „Was kostet die Freiheit“ in der ehemaligen Eichstätter Johanniskirche

05.09.2024 | Stand 07.09.2024, 21:49 Uhr |

Oksana Kushniretska berührte mit dem Gedicht „Geht durch die Welt eine Ukrainerin“. Foto: Fedorenko

Einen beeindruckenden Nachmittag erlebten die Gäste bei der Finissage der Ausstellung „Was kostet die Freiheit“. Die dreitägige Ausstellung wurde von der Ukrainischen Gemeinde Eichstätt e.V. organisiert und widmete sich dem 33. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine.

Der feierliche Akt in der ehemaligen Johanniskirche begann mit dem Gedicht „Kaukasus“ des ukrainischen Schriftstellers Taras Schewtschenko. Gefühlvoll vorgetragen von Myroslawa Danyliw erzählt das Gedicht von den Schmerzen und dem Blutvergießen, die Prometheus durch den Adler erleidet. Dabei handelt es sich um eine Metapher für russischen Despotismus und Kriegsverherrlichung.

Rund 120 Gäste waren bei der Finissage dabei



In totaler Stille und höchster Aufmerksamkeit der Anwesenden wurde die Betroffenheit und Verzweiflung der vorgetragenen Worte durch Mimik und das emotionale Spiel Myroslawas auch ohne deutsche Übersetzung spürbar. Gleich nach dem Gedicht erfüllte der Chor des Collegium Orientale den ganzen Saal mit seinem Gesang. Das ukrainische Volkslied „Oh, unser Ruhm, wo bleibst du denn?“ ließ das ehemalige Gotteshaus erstrahlen und erklingen. Rund 120 Gäste waren bei der Finissage anwesend, die meisten von ihnen in gestickten Hemden und Blusen – „Wyschywanka“ – die ukrainische Tracht. „Wir können die Freiheit nie genügend schätzen, wir dürfen nicht vergessen, dass sie keine Selbstverständlichkeit ist“, so Oberbürgermeister Josef Grienberger in seiner Ansprache.

Der Opfer gedenken



Auch die Vorsitzende des ukrainischen Vereins und Mitorganisatorin der Ausstellung sprach über den hohen Preis der Freiheit, den die Bevölkerung der Ukraine zahlen muss: „Unsere Freiheit bemisst sich nicht in Truhen voller Gold oder in der Anzahl von Pferden, sondern in den zahlreichen Leben, die dafür geopfert wurden.“ Diese Opfer wollten die Organisatoren mit der Ausstellung würdigen und sichtbar machen. Die Ukraine ist seit 33 Jahren wieder unabhängig. Zuvor herrschten 337 Jahre lang erst zaristische, dann sowjetische Mächte. In dieser Zeit mussten die Ukrainer an zahlreichen Kriegen teilnehmen und litten unter etlichen Hungersnöten und Katastrophen.

Drei Installationen sollten diese erschreckenden Zahlen den Besuchern nahebringen. Ein Haufen Schuhe symbolisierte die tausenden Opfer von Verfolgung, Vernichtung und Säuberungen während der Sowjetzeit. Am Boden stehende Ikonen mit Opferzahlen von Kriegen und Hungersnöten sollten für die Millionen Opfer des Landes allein im 20. Jahrhundert sensibilisieren. Die dritte Installation war dem gegenwärtigen Krieg gewidmet: ein Haufen Trümmer, daneben die Uniform eines gefallenen Soldaten, umgeben von 16 strahlenden Gesichtern junger Männer, die ihr Leben für die Verteidigung des Landes verloren haben.

„Was uns antreibt, sind unsere Werte“

Auf der gegenüberliegenden Seite, hinter Tarnnetzen verborgen, war ein „normales“, glückliches Leben der Ukrainer zu sehen. Es waren private Aufnahmen geflüchteter Ukrainerinnen, die ihr glückliches Leben in der Ukraine zeigten: die Taufe eines Kindes, ein Vater in Uniform, der seine Tochter über ein blühendes Feld hält, ein Hochzeitspaar. „Dieses glückliche, normale Leben muss jetzt versteckt im Keller, hinter Tarnnetzen, gelebt werden“, sagte die Vorsitzende. „Niemand weiß, wie das Leben hier in Eichstätt heute aussehen würde, hätte die Ukraine diesem Monster, diesem Goliath, nicht die Stirn geboten. Niemand hat geglaubt, dass wir mehr als zwei Jahre Widerstand leisten könnten. Was uns antreibt, sind unsere Werte: die Liebe zur Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung.“

Die beiden Bereiche – die Installationen mit langer Geschichte, dem Kampf und zahlreichen Opfern und der Bereich mit friedlichem Leben und Werten – verbindet im Altarbereich die Welt der Kinder. Die kleine Ukrainerinnen und Ukrainer gestalteten zahlreichen Plakate zum Thema Ukraine. „Wir sind mit euch“, „Stark“, „Unbeugsam“ – sind die Eindrücke der Kleinen, die ihr Heimatland lieb haben und von Frieden und Wiederkehr träumen. Im Zentrum ist auch ein Lebensbaum, ein traditionelles Motiv vieler Wyschyvanok und der Volkskunst, gestaltet von zahlreichen Kindern unter der Leitung von Khrestyna Jaworska. Über den Plakaten schwebten Hunderte weiße Tauben, unter denen ein Spielplatz für Kinder eingerichtet war. Sie spielten hier friedlich und ungestört auch während der ganzen Finissage.

Besonders emotional wurde es am Ende der Finissage, als Oksana Kushniretska, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins, ein Gedicht der Schriftstellerin Ludmyla Halinska mit dem Titel „Geht durch die Welt eine Ukrainerin“ vortrug. Das Gedicht beschreibt das Schicksal von Millionen Frauen, die wegen des Krieges aus ihrem Land fliehen mussten, die die Städte Europas und der Welt bevölkern, sich allein um ihre Kinder kümmern, Kummer und Traurigkeit ertragen. Oksana sprach viele Frauen während ihres Vortrags direkt an, berührte sie und sah ihnen in die Augen. Kaum eine Frau konnte ihre Tränen zurückhalten – ein emotionaler Moment.

EK



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