Zum Tod von Georg Steer am Neujahrstag
Ein Gründervater der Eichstätter Germanistik

09.01.2025 |

Georg Steer wäre im April 91 Jahre alt geworden. Foto: Buckl

Für das neue Jahr hatte er noch Publikationspläne, so sollte ein Lesebändchen mit Texten von Meister Eckhart erscheinen. Dazu kommt es nun nicht mehr: Am frühen Nachmittag des Neujahrstages ist Professor Georg Steer im Würzburger Julius-Spital, eben erst genesen von einer Lungenentzündung, nach erneuter kurzer Infektion verstorben. Der Eichstätter Altgermanistik-Emeritus gehörte zu den Gründervätern des Faches Germanistik an der jungen Katholischen Universität. Er wäre heuer im April 91 Jahre alt geworden.

In der Forschung und Lehre an der KU deckte er ab dem Wintersemester 1982/83 bis zur Emeritierung 1999 als erster Inhaber des Lehrstuhls für Ältere Deutsche Literaturwissenschaft ein breites Feld ab. Es reichte vom Nibelungenlied und weiterer Heldenepik über das Grals-Epos des Parzival und den Tristan-Roman bis hin zu mittelalterlicher Naturkunde und Sachprosa, etwa dem Lucidarius-Lehrdialog und dem Buch der Natur des Konrad von Megenberg. Sein Hauptinteresse aber galt den Texten der deutschen Mystik und Predigten des Dominikaners Meister Eckhart (1260 bis 1328), zu dessen besten Kennern er weltweit zählte.

„Forschungsstelle für geistliche Literatur des Mittelalters“



Mit ihm beschäftigte er sich noch intensiver, als er 1999 als Emeritus aus der akademischen Lehre ausschied – bis zuletzt ins hohe Alter: „Dass man ein solches Alter erreicht, dafür kann man nichts. Das ist Geschenk, das froh macht und froh erhält“, antwortete er vor vier Jahren auf eine Gratulation. Er wolle weiterarbeiten, „und diese meine Arbeit macht mir unendlich viel Freude“. Steers Initiative verdankte sich die Gründung der „Forschungsstelle für geistliche Literatur des Mittelalters“ an der KU, die Rudolf Weigand weiterführte und die heute von Caroline Emmelius geleitet wird.

Am 5. April 1934 wurde Steer in Altnussberg im Bayerischen Wald geboren. Er besuchte das Gymnasium Straubing und studierte in Regensburg, München, Bonn und Würzburg Philosophie, Theologie, Geschichte und Germanistik. In Würzburg promovierte er 1963 über mittelhochdeutsche Gnadenlehre, 1975 habilitierte er sich über das Werk des Dominikaners Hugo Ripelin von Straßburg. Im November 1982 wechselte er von Würzburg nach Eichstätt, ohne aber seinen Veitshöchheimer Hauptwohnsitz aufzugeben, wo er mit seiner Gattin Ingrid lebte. In Eichstätt diente ihm das Café Fuchs als Domizil.

Bild der KU in der Wissenschaftswelt geprägt



Obgleich meist nur drei Tage pro Woche hier vor Ort, prägte Steer das Bild der KU in der Wissenschaftswelt stark mit. So gelang es ihm, den Sonderforschungsbereich 226 über „Wissensliteratur des Mittelalters“ in Eichstätt (und Würzburg) zu etablieren. Seine Methode der Edition kompliziert überlieferter Texte machte Schule und brachte ihm den Ruf eines brillanten Editors mittelalterlicher Texte ein. Mit seinem Namen verbunden sind Editionen der Rechtssumme Bruder Bertholds, des deutschen Lucidarius, und, unvollendet, des Buchs der Natur (1348) des Konrad von Megenberg, vor allem aber der Predigten Meister Eckharts.

2004 wurde Steer erster Präsident der von ihm mitgegründeten „Meister Eckhart-Gesellschaft“. 2006 richtete er eine Stiftung zur Förderung der Eckhart-Forschung ein. Neben Editionen und Monografien stammen rund 60 Aufsätze aus seiner Feder, zudem Rezensionen und Lexikonartikel. Steer betreute über ein Dutzend Doktorarbeiten sowie drei Habilitationen. Seine Studenten und Mitarbeiter werden ihn nicht nur als gelehrten, sondern auch als sehr geselligen akademischen Lehrer im Gedächtnis behalten, dessen Exkursionen auf den Spuren der Literatur des Mittelalters, wie 1985 nach Südtirol, in guter Erinnerung bleiben.

Schwer kranke Gattin gepflegt



Seine Ehe mit Ingrid Steer blieb kinderlos. Seine Gattin pflegte und versorgte er bis zu ihrem Tod im März 2021 in ihrer schweren Krankheit jahrelang hingebungsvoll. Ihren Tod sah er als „Schicksalsschlag“, der sich „mit einem guten und christlichen Sinn ertragen lässt“, wie er auf Kondolenzen antwortete. Das könnte auch ein Motto für alle diejenigen sein, die nun um ihn trauern.

Das Requiem für Georg Steer ist am Dienstag, 14. Januar, um 14 Uhr in der Kuratiekirche Heiligste Dreifaltigkeit in Veitshöchheim, anschließend Beisetzung auf dem Waldfriedhof. Im Sinne des Verstorbenen wird statt um Blumen um eine Spende zugunsten der Forschung für die Meister-Eckhart-Stiftung (LIGA-Bank Würzburg: IBAN DE40 7609 0300 0003 1926 44) gebeten.

Walter Buckl



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