Ukrainekrieg: Ist Frieden möglich?
Diskussionsforum in Eichstätt mit zwei Experten: „Es müssen Verhandlungen stattfinden“

13.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:03 Uhr

Beim Friedensgebet zum Jahrestag des Ukrainekrieges wurden Friedenssymbole an die Wände am Residenzplatz gestrahlt. Fotos: Langscheid/Luff

Das Jesuiten-Refektorium war gut gefüllt. Den Eichstättern brennt nach über einem Jahr Krieg in der Ukraine die Frage auf den Nägeln: Ist Frieden dort möglich? Diesen Titel wählten die Veranstalter für die knapp dreistündige Veranstaltung. Irmgard Scheitler, eine der beiden Vorsitzenden von Pax Christi Eichstätt, gewann für die Diskussionsrunde zwei prominente Experten, um die komplexe Frage aus theologischer und aus journalistisch-politischer Sicht zu beleuchten.

Thomas Nauerth ist Professor für Religionspädagogik an der Universität Osnabrück und Mitglied im Internationalen Versöhnungsbund. Er sitzt im wissenschaftlichen Beirat von Pax Christi und hat das Ökumenische Institut für Friedenstheologie in Aalen mitbegründet. Der freischaffende Journalist und Buchautor Andreas Zumach gilt als Experte für Rüstungskontrolle, Völkerrecht, Sicherheitspolitik und Menschenrechte. Von 1988 bis 2020 arbeitete er als Korrespondent der Berliner „taz“ in Genf.

Bewaffneter Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen

Nauerth überschrieb seine Stellungnahme mit den Worten „In den Krieg gefallen – Friedensethik und Friedenstheologie in der Zeitenwende“ und begründete aus theologischer, aber auch aus moralischer Sicht die Notwendigkeit, diesen inhumanen Krieg, dieses „Monster, das zu nichts Gutem führt“, möglichst rasch zu beenden. Der moderne Krieg, bei dem der Aggressor weitgehend zu den gleichen Waffen greift wie der sich Verteidigende, sei durch nichts zu rechtfertigen und bestätigt Jesu Pazifismus, wie er sich in der Bergpredigt oder in Matthäus 26,52 zeigt: „Wer das Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen.“

Für Nauerth sind die derzeitigen Waffenlieferungen daher kein sinnvolles Handeln. „Mit einem Krieg schlage ich Putin keine Waffe aus der Hand, sondern töte junge Männer.“ Es käme eher darauf an, die zerstörerischen Geisteshaltungen, die hinter dem Krieg stehen und die Nauerth bereits in einer von Bonaventura im 13. Jahrhundert erzählten Geschichte über den heiligen Franziskus am Werke sah, zu wandeln. Erste Ansätze zu einem derartigen Wandel sah der Theologe in hoffnungsvollen Gesten wie dem Treffen zwischen russischen und ukrainischen Kriegsdienstverweigerern. Nauerth betonte aber auch die Rolle der Fürbitte und des Gebets im christlichen Kontext: „Mächte können sich wandeln. Wir haben es 1989 im eigenen Land erlebt.“

Zumach: Verhandlungen müssen stattfinden

Zumach zeigte in seiner politischen Analyse auf, welche Zweifel ihn an den Waffenlieferungen an die Ukraine umtreiben: „Der Mensch muss kein Pazifist sein, um eine große Skepsis zu haben, dass der Krieg für die Ukraine siegreich zu entscheiden ist“, betonte er gleich im Vorfeld seiner Ausführungen. Das zentrale Problem sei, dass nicht klar definiert sei, welche Ziele mit Waffenlieferungen erreicht werden sollen. Die Bandbreite der Minimalziele reiche vom angestrebten Erschöpfungspatt über die Zurückdrängung der Angreifer hinter die Linien vom 24. Februar und die Eroberung des ganzen Donbas bis zur Rückeroberung der Krim und sogar der dauerhaften Schwächung Russlands, damit es nie mehr in der Lage sei, militärisch zu agieren.

Doch darüber bestehe in den westlichen Unterstützerstaaten und Regionen keinerlei Konsens, vielmehr seien die Ziele von den westlichen Regierungen mehrfach verändert worden. Damit Einigkeit überhaupt zustande kommt, wäre es erforderlich, eine klare europäische Position zu beziehen, z.B. die Ukraine bis zu dem Punkt zu unterstützen, an dem der russische Angreifer hinter die Linien vom 24. Februar zurückgedrängt ist. „Meine Analyse ist, dass trotz aller Schwierigkeiten, die die russischen Streitkräfte haben, Russland nach wie vor militärisch stark überlegen ist.“

Putin könne noch Hunderttausende Menschen in den Krieg zwingen, bei bestimmten Waffentypen gebe es eine deutliche Überlegenheit und die Panzerzahlen, die Selenskyj für notwendig erklärt hat, werde die Ukraine nicht annähernd bekommen: Putin hat nach Zumach weiterhin Eskalationsdominanz und könne seiner Bevölkerung noch eine Menge mehr an Entbehrungen zumuten. Vor dem Publikum im Jesuiten-Refektorium äußerte Zumach daher seine klare Position: „Es müssen Verhandlungen stattfinden.“ Illusionen mache er sich aber keine, und er wolle seinen Standpunkt auch nicht als Forderung nach einer Kapitulation Selenskyjs verstanden wissen.

EK