Christliche Konkurrenz zum 1. Mai
Der heilige Joseph als Vorbild der Arbeiter – Katholischer Arbeiterverein 1899 in Kösching gegründet

01.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:58 Uhr
Friedrich Lenhardt

Der Zimmermann Joseph mit seiner Familie auf einem Fleißbildchen der Bilder-Sammlung im Köschinger Marktarchiv. Foto: Lenhardt

Gut gemeint war 1889 die Enzyklika von Leo XIII. (Papst von 1878 bis 1903), in der er zur Verehrung des heiligen Josephs feststellen musste: Seit sein Vorgänger Pius IX. den Ziehvater des Gottessohnes 1870 zum Universalpatron der katholischen Kirche erhoben hatte, sei Joseph in keiner Weise tief im gläubigen Brauchtum verankert gewesen. Nachdem sich Papst Leo XIII. die Lage der Arbeiter zu seiner persönlichen Angelegenheit gemacht und versucht hatte, in der katholischen Soziallehre eine Antwort auf die Nöte der Zeit zu geben, lag es nahe, diese Antwort im Mittelalter zu finden. Joseph der Arbeiter, sollte den Sozialisten als christlicher Antipart entgegengestellt werden.

Allerdings räumte der Papst diesem geplanten Arbeiterheiligen keine Eigenständigkeit ein, sondern sah dessen Eignung nur in dem Verhältnis zu Maria in „Schutz und Beistand des hl. Josef in Vereinigung mit der jungfräulichen Gottesgebärerin“ begründet. Joseph war in der Enzyklika zuerst einmal „Oberhaupt der Familie“, sodass Sohn Jesus in „vollkommener Unterordnung seinen Befehlen gehorchte, wie es sich für ein Kind seinem Vater gegenüber geziemt“.

Joseph, der Zimmermann, als einer der „Stillen im Lande“



Identisch mit diesem zeittypischen Familienbild ist das Bild des Zimmermanns als Sozialwesen. Er hielt sich an die gesetzlichen Vorschriften und – wie es in einer auf ihn als Vorbild zugeschnittenen päpstlichen Seligpreisung der „Stillen im Lande“ hieß – liebte still, arbeitet still und betete still. Darin sollten ihm die Arbeiter nacheifern. Was aber wenig Anklang fand.

In Kösching reagierte man mit der Gründung des Katholischen Arbeitervereins am 26. Februar 1899, Wiederbegründung 1946 als Katholisches Werkvolk, seit 1972 Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB). Daneben soll es um 1916 einen „Verein christlicher Gewerkschaften“ gegeben haben.

Der 1. Mai ab 1955 als „Fest für Joseph den Arbeiter“

Das Traumbild der unermüdlichen Pflichterfüllung ohne Widerworte hatten die Kirchenoberen auch bei der Kanonisierung des Konrad von Parzham erfüllt gesehen, für den die Verbindung des arbeitenden Menschen zur Kirche und ihren Festtagen selbstverständlich war. Nach der Zäsur des Zweiten Weltkriegs erkannte die Kirche das Versagen des „mächtigsten Schutzpatrons“ Joseph und den Verfall ihrer Ideale. Pius XII. (Papst von 1939 bis 1958) suchte eine Erneuerung und verkündete 1955 den 1. Mai als Fest für „Joseph den Arbeiter“ und machte den „bescheidenen Handwerker“ zum Geschenk für das Proletariat. Es wurde dort eher undankbar angenommen.

Johannes Paul II. (Papst von 1978 bis 2005) nahm 1989 wieder auf Joseph Bezug und kurz darauf sein Nachfolger Benedikt XVI. (Papst 2005 bis 2013), der sich diesem Josephsbild verbunden zeigte, wenn er 2010 die „Schönheit eines einfachen und bescheidenen Lebens“ bei ihm lobte und seinen Namenspatron „in Demut und Stille“ wirken sah. Nicht viel anders bei Papst Franziskus, der 2020 zum „Jahr des hl. Josephs“ ausrief.

Beliebtes Motiv für Fleißbildchen



Seiner ungenügenden Verankerung im Frömmigkeitsleben entsprechend hat das Motiv „Joseph der Arbeiter“ kaum eine eigene ikonographische Tradition entwickelt. In Kösching gibt es einige wenige Belege im Archiv der Marktgemeinde im Akt „Bildchen“. Zu den nazarenischen Derivaten, die den Zimmermann im Familienrahmen werkelnd zeigen und das Arbeitsleben an seinen Werkzeugen andeuten, stellt sich ein Fleißbildchen der 50er-Jahre. Es demonstriert ungewollt, aber vortrefflich den allgemeinen erzieherischen Ansatz des päpstlichen Wunschbildes von Joseph dem Arbeiter. Ida Bohatta hat es damals für den Ars-sacra-Verlag entworfen. Es wurde als Fleißbildchen verteilt. Sie schiebt die pastorale Aussage, wie in den 50er-Jahren üblich, einem Jesulein unter: „Ich will der heilige Joseph sein und arbeiten fürs Christkindlein, Ich lern dem Jesuskind zulieb und räume meine Sachen ein und bring der Mutter alles her und helfe ihr im Haus, dann hat der heil’ge Joseph frei und ruht ein wenig aus.“ Das besorgt zum 1. Mai schon der staatlich verordnete Feiertag.

Seit der Barockzeit wurde der heilige Joseph zum Sterbepatron



Bei solcher Flexibilität gekoppelt mit unkanonisch fixierter Überlieferung waren der kirchlichen Interpretation des Heiligen kaum Grenzen gesetzt. So kann zur Genese Josephs als Sterbepatron nur gesagt werden, dass sich in der Barockzeit der Brauch entwickelt hat, Josef als Fürbitter um eine gute Sterbestunde anzurufen.

Im Anschluss an die Apokalypse 14, 13 bietet die christliche Barmherzigkeit dieses als Rettung vor der „ewigen Verdammnis“ an. „Beati mortui qui in Domine moriuntur“ zitiert die Schrift die Offenbarung, die von vier Engeln über die Sterbeszene gehalten wird. Ein fünfter hat sich neben den sterbenden Joseph gekniet.