„Mei liabe Frau von Mauern, hilf!“
Bürger aus Ettling pilgern wieder in den Neustädter Ortsteil und erfüllen damit ein Gelübde aus dem Jahr 1854

10.10.2024 | Stand 10.10.2024, 6:45 Uhr |

Mit der Fußwallfahrt nach Mauern erfüllen die Ettlinger bis heute ein Gelübde, das ihre Vorfahren vor 170 Jahren abgelegt haben. Am vergangenen Sonntag war es wieder so weit. Fotos: Kügel

Die Ettlinger Dorfgemeinschaft pilgerte am vergangenen Sonntag nach Mauern bei Neustadt. Die Wallfahrer erfüllen damit bis heute ein Gelübde, das ihre Vorfahren nach dem Ende der Cholera-Epidemie 1854 abgelegt hatten.

Herbstnebel lag über der Landschaft, als sich rund 20 Ettlinger wie seit 170 Jahren am letzten Sonntag im September auf den zehn Kilometer langen Fußmarsch nach Mauern machten. Angeführt wurde die kleine Schar von Christian Härdl mit dem Vortragekreuz und seinem Vater Joseph, der als Mesner wie schon dessen Vater die Rolle des Vorbeters übernimmt. Die Gebete sind über Generationen von Mesner zu Mesner weitergegeben worden und waren ursprünglich für den Hin- und Rückweg gedacht.

Zurück geht es in Fahrgemeinschaften



Da heute die Wallfahrer den Rückweg in aller Regel in Fahrgemeinschaften mit Dorfbewohnern antreten, die mit dem Auto zum 10-Uhr-Gottesdienst kommen, musste Christian Härdl die Abfolge anpassen: Von Ettling bis nach Gaden werden drei Rosenkränze gebetet. Ab der kurzen Pause in Gaden wird Gott gepriesen.

Lesen Sie auch: Anja Bürzer aus Pförring ist die neue bayerische Honigprinzessin und versteht was vom Handwerk

Wenn es auf Mauern zugeht, rufen die Gläubigen den heiligen Sebastian um seine Fürbitte an. Den Einzug nach Mauern begleitet schließlich das Gebet um das Seelenheil der Verstorbenen: „Herr gib ihnen die ewige Ruh!“ Ursprünglich galt dies wohl den 20 Ettlinger Cholera-Opfern.

„Mei liabe Frau von Mauern, hilf!“: Ältere Menschen aus der Gegend um Mauern sprechen dieses Stoßgebet heute noch, wenn ihnen der Schreck in die Glieder fährt. Als vor 170 Jahren in der Pfarrei Pförring die Cholera grassierte, wurde dieser Hilferuf wohl immer dann zum Himmel geschickt, wenn sich wieder einmal die Nachricht von einem neuen Krankheitsfall verbreitete. Die Seuche soll von einem Mann namens Georg Lohner aus München eingeschleppt worden sein, wo die Cholera im Sommer ausgebrochen war und fast 3000 Menschen dahingerafft hatte.

Früher feierlich, jetzt in aller Stille



Als die Brechruhr auch in der Pfarrei Pförring immer neue Opfer forderte, griff die Angst um sich. Dekan Karl Holzgartner schreibt in seiner Chronik: „Die Versehgänge, die früher feierlich abgehalten wurden, fanden jetzt in aller Stille statt. Die Cholera-Leichen wurden außenherum auf den Pförringer Friedhof gebracht. Die Beerdigungen fanden am frühen Morgen oder am späten Abend statt. Es durften nur die nächsten Verwandten teilnehmen.“

Das könnte Sie auch interessieren: EU-Förderung beantragt: Kosten für Sanierung der Straße Am Schloßberg auf eine Million Euro geschätzt

Weil es in Pförring Mitte des 19. Jahrhunderts noch keinen Arzt gab, schickte die Regierung „auf die Hilferufe der betroffenen Gemeinden hin“ einen Arzt namens Dr. Winterhalter als Cholera-Arzt nach Pförring. Selbst denen, die sich ärztliche Hilfe leisten konnten, konnte er nicht helfen. Denn der Krankheitserreger war noch nicht bekannt.

Suche nach Hilfe bei den Heiligen



So suchte man Hilfe bei den Heiligen, vor allem beim heiligen Sebastian, der in Pförring eine Bruderschaft und eine eigene Kapelle besitzt. Schließlich gelobten ganze Dörfer alljährliche Bittgänge zu Unserer lieben Frau von Mauern. Ettling – heute Ortsteil von Pförring – machte den Anfang am 29. September 1854. Kein Wunder, hatte doch das damals wie heute gut 200 Seelen zählende Dorf zu diesem Zeitpunkt bereits 15 Cholera-Opfer zu beklagen. Insgesamt 20 sollten es werden.

Am 19. Oktober hielt der Markt Pförring einen Bittgang nach Mauern. In der ganzen Pfarrei sind 54 Menschen an Austrocknung in Folge der Brechruhr gestorben. Bis heute haben die Ettlinger das Gelöbnis gehalten, das sie zuletzt bei der Jubiläumswallfahrt 2004 erneuert haben.

Artikel kommentieren