Kösching
Blutiger Kontrast zur Weihnachtsidylle

Altar im Peterskirchlein Kösching zeigt den Kindermord von Bethlehem

31.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:32 Uhr
Friedrich Lenhardt

Der auf Befehl von Herodes ausgeführte Kindermord in Bethlehem ist Teil der Darstellung des Weihnachtsgeschehens im Köschinger Peterskirchlein (linke Abbildung). Das Kunstwerk wird dem aus Tirol zugezogenen Ingolstädter Wolfgang Zächenberger zugeschrieben. Foto: Lenhardt

Nur wenige Verse nach der weihnachtlichen Idylle setzt Matthäus in seinem Evangelium einen blutigen Kontrast. Durch die Reden der Weisen aus dem Morgenland aufgeschreckt gibt Herodes den Befehl alle Kinder fraglichen Alters zu töten in der Hoffnung, dass sich darunter auch sein Konkurrent, der „neugeborene König der Juden“ befinden möge.

Aber der ist schon mit seiner Familie auf der Flucht ins Ägypterland gemäß dem Traumgesicht des Nährvaters. Unter der Assistenz vieler Engel vollziehen sich dabei nach der Legende Wunder, Abgötter stürzen, Räuber werden hilfreich, Quellen entspringen, ein Palmbaum neigt sich und bietet seine Früchte der heiligen Familie an und unzählige Götzenbilder liegen zerschmettert am Boden. Unterdessen werden in Bethlehem die Kinder umgebracht. Da, bei den jungen Familien im Land des Herodes, wäre nach menschlichem Ermessen der bessere Platz für die Engel gewesen. Aber das ist ein Problem, das die Theologie unter dem Begriff der Theodizee angehen muss.

Mordgeschehen wie in einem Film zu sehen

Im Peterskirchlein in Kösching ist das Mordgeschehen wie in einem Film zu verfolgen. Auf dem linken Seitenaltar steht ein Relief mit diesem Motiv. Es wurde von Siegfried Hofmann überzeugend dem 1720 aus Tirol zugezogenen Ingolstädter Schnitzer Wolfgang Zächenberger (gest. 1746) zugeschrieben und ums Jahr 1730 datiert. Dabei zog er nachvollziehbar Parallelen zu volkstümlichen Theateraufführungen des heiligen Geschehens mit all ihrer Drastik und grimassierenden Darstellung, die als Altarrelief heute mehr befremden als belehren.

Dazu lieferte Martin von Cochem das Drehbuch, wenn er schrieb: „Da war ein so gräßliches Geschrei, Heulen und Klagen zu hören, daß es bis in die Wolken reichte. Die armen Mütter heulten und klagten, die armen Kindlein weinten und schrieen, die Soldaten brüllten vor Wuth, und dieß Alles gab ein so furchtbares Geschrei, daß sich die Steine hätten erbarmen mögen.“ Historische Aufzeichnungen in Kösching hierzu sind rar. Am ehesten mag man die Barockisierung der Kapelle am Schloss durch Michael Prunnthaler heranziehen.

Gedenktag der „unschuldigen Kinder“ am 28. Dezember

Alte Beschreibungen erwähnen dort draußen vor dem Markt drei Altäre, einer zu Ehren des Apostelfürsten Petrus, einer der Trinität geweiht und einer den „unschuldigen Kindern“. Dieses war die gängige Bezeichnung für die Mordopfer, deren Zahl von einigen bis auf 144000 hochgerechnet wurde, was natürlich die Versorgung mit entsprechenden Reliquien wesentlich erleichterte. Unser belesener Fabulierer von der Mosel wusste nur von 14000 zu berichten. Sie galten als erste Märtyrer und konnten so zur „Ehre der Altäre“ kommen. Zumindest in Kösching hat man ihnen den Titel der Heiligkeit zugemessen, wie dem einzigen direkten Hinweis von Pfarrer Kerschl 1720 zu entnehmen ist, als er von der Errichtung des Kreuzaltares in seiner neuen Pfarrkirche schrieb: „Crux autem, templo Sancti Petri, ubi tempore aedificationis in ara Ss innocentium.“ Das Kreuz aber war während der Bauzeit in der Peterskirche auf dem Altar der heiligen Unschuldigen aufgestellt.

Für den Festtag selbst, am 28. Dezember, sind für Kösching keine irgendwie gearteten Umtriebe der Kinder überliefert. Hier beging man ihn streng kirchlich. Den Kindern bot man nur die Kommunion im Peterskirchlein an, wie es Kerschl in seinen „Göttlichen Dienstpflichten“ 1722 belegte. Übersetzt steht dort: „Das Fest der Heiligen Unschuldigen. Um 6 Uhr liest Hochwürden Herr Frühmesser die Messe, während der Pfarrer und Ehrwürden Pater Franziskaner die Beichte jener Kinder hören, welche nach der Messe um 8 Uhr dort in der Peterskirche Kommunion haben können. Um 9 Uhr liest der Pfarrer oder der Franziskanerpater die Messe in der Pfarrkirche, wozu auch der Mesner ein Glockenzeichen gibt, damit an seinem Ende alle, die wollen, endlich die heilige Botschaft hören können. An diesem Tag ist keine Abendandacht, außer, er fällt auf einen Samstag. Um 1 Uhr gehen die Franziskaner wieder nach Hause.“

Anbetung durch die Hirten häufiges Kunstmotiv

Weit über unser Gäu hinaus haben wir in Kösching mit der Darstellung des Kindermordes ein singuläres Dokument barocker Frömmigkeit. Die beliebte Idylle vertritt im Kontrast dazu die Weihnachtsdarstellung im Peterskirchlein. Allgemein recht unbekannt ist ihre Geschichte. Dabei ist sie archivalisch gut belegt. Im Januar 1934 reagierte Pfarrer Markstaller auf eine Anzeige im Klerusblatt über den Verkauf eines Ölbildes der Geburt Christi. Daraufhin meldete sich der Pfarrer der schwäbischen Gemeinde Scheppach im Mindeltal und bot das Altarbild als Werk eines italienischen Meisters um 75 Mark an. Pfarrer Markstaller kaufte. Die Geburt Christi, genauer, die Anbetung des neugeborenen Christus durch die Hirten, zeigt eine durchaus beachtenswerte Hand des 17. Jahrhunderts in der weiteren Nachfolge der weithin berühmten „Heiligen Nacht“ von Correggio, heute zu sehen in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden.