Sie tragen die Sonne im Logo und sind seit 1948 im politischen Leben der Domstadt aktiv: Die Freien Wähler, die sich anfangs noch „Überparteilicher Block“ und bis 2001 „Parteilose Wählerschaft“ nannten, sind aus der Parteienlandschaft Bayerns und Eichstätts nicht mehr wegzudenken. Im November vor 75 Jahren wurden sie gegründet – mitten in der Nachkriegszeit, als die Menschen aus Scham oder Überdruss nichts mehr von der Politik wissen wollten.
Die anschließenden 75 Jahre waren eine Erfolgsgeschichte mit vielen Höhen und kleineren Rückschlägen. Daher feierten die Freien Wähler nun das Dreivierteljahrhundert engagierter politischer Arbeit für Eichstätt und seine Bürger im Gemeindezentrum der evangelisch-lutherischen Kirche.
„Wurzeln in derWeimarer Republik“
Im Mittelpunkt der Feierstunde, die bewusst nach den Landtagswahlen angesetzt wurde, stand nicht der politische Diskurs, sondern das bewusste gemeinsame Erleben des Jubiläums im Kreise der Freien- Wähler-Familie. Der Vorsitzende Michael Klenz konnte daher nahezu alle Verantwortlichen begrüßen, die in der Region Rang und Namen haben: unter anderem Eva Gottstein und der Fraktionsvorsitzende im Kreisverband Anton Haunsberger. Zunächst blickte Klenz nicht ohne Stolz auf die 75 Jahre geradliniger, freier und parteiloser demokratischer Arbeit zurück, deren Wurzeln er in der Weimarer Republik sah. Die 75 Jahre seien für die Freien Wähler aber auch ein Auftrag, all jenen eine Abfuhr zu erteilen, die ein Deutschland wollen, das nicht auf dem Boden der Demokratie fußt. Gottstein war es dann auch, die eine besondere Würdigung erfuhr. Sie erhielt die Ehrenmitgliedschaft der FW und bedankte sich gerührt für diese hohe Auszeichnung.
Gottstein, die für die Freien Wähler im Stadtrat und Landtag saß und bis Oktober Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für das Ehrenamt war, sprach ihre Gedanken zum Jubiläum aus und ließ Meilensteine der letzten Jahrzehnte wie die Erarbeitung einer eigenen Satzung unter der Regie von Erwin Schmauß oder die Finanzierung der Stolpersteine für aus Eichstätt vertriebene Juden Revue passieren. Wichtig sei aber neben dem politischen Engagement der Freien Wähler immer auch das familiäre Element gewesen, die Geselligkeit und die Musik bei den vielen Zusammenkünften. Und auch an diesem Abend spielten die „Besenreiser“ bei Speis und Trank zünftig für die Feiernden auf.
Haunsberger dankte den Gründungsvätern und -müttern und ließ sich voller Stolz die Zahl 75 auf der Zunge zergehen. Zum Geburtstag überreichte er nicht nur einen 75-Euro-Gutschein für ein Roll-Up-Banner, sondern überraschte auch Eva Gottstein, die 74 Jahre alt wurde, mit einer Flasche Champagner. Danach blickte Schriftführer Karl Kölle auf das Dreivierteljahrhundert zurück, das zunächst „die beiden Männer des Überparteilichen Blocks“ (ÜBP) Ludwig Heigl und Alfred Kogler im Stadtrat sah, wo sie „selbst als kleinste Fraktion“ politisch mitbestimmen konnten, wie die damalige „Eichstätter Volkszeitung“ schrieb.
Es folgte die Umbenennung in „Parteilose Wählerschaft“ (PW), die zwischen 1956 und 1972 mit bis zu sechs Stadträten im Rathaus vertreten war, und die behandelten Themen waren damals schon fast die gleichen wie heute. Kölle erinnerte an die erste Satzung der PW von 1990, die eine kontinuierliche Zusammenarbeit auch zwischen den Wahlen garantierte, und hob die beiden Urväter der heutigen Freien Wähler Erwin Schmauß und Peter Gottstein hervor. Ein Meilenstein sei aber auch der rekordverdächtige Frauenanteil im Stadtrat gewesen, als mit Eva Gottstein und Gabi Kasper zwei von drei PW-Stadträten Frauen waren. Die Oberbürgermeister-Kandidatur von Eva Gottstein verhalf einst dem SPD-Kandidaten Arnulf Neumeyer zum Sieg und Gottstein wurde als Erste Vorsitzende zwischen 1994 und 2003 zum Aushängeschild der PW, die sich 1997 dem Landesverband der Freien Wähler anschlossen und 2001 ihren Namen änderten.
Eva Gottstein blieb zunächst in der Kommunalpolitik, zog aber 2008, 2013 und 2018 in den Landtag ein. Bereits 2002 gründete man die „Jungen Freien Wähler“ und 2007 initiierten die FW das erste Bürgerbegehren der Stadt, das den Altmühlweg am neuen Freibad erhalten wollte, aber leider an 83 Stimmen scheiterte.
Eine einzige Erfolgsgeschichte war auch die Wahl des Newcomers Andreas Steppberger zum Oberbürgermeister 2012. In seiner Amtszeit wurden wichtige städtische Projekte in die Wege geleitet, wie das Hotel in der Spitalstadt und mehrere Baugebiete.
Karl Kölle: „Steppberger zu anständig“
Leider war er aber laut Kölle zu anständig für die Eichstätter Kommunalpolitik und trat 2020 nicht mehr an. Als Erfolg der jüngsten Entwicklung sah er die Wahl von Martina Edl, der Zweiten Vorsitzenden der FW, zur Dritten Bürgermeisterin der Stadt Eichstätt. Diesen Aufwärtstrend wolle man für 2026 nutzen und blicke voller Zuversicht in die Zukunft.
Gottstein überreichte die Ehrennadel in Gold an Erwin Schmauß, Julius Beck und ihren Mann Peter. Alle drei erhielten auch eine Urkunde, die Parteichef Hubert Aiwanger unterschrieben hatte.
EK