Der lange Weg zurück
Nach seiner schweren Knieverletzung hofft FCP-Kapitän Simon Rauscheder 2025 auf ein Comeback

06.09.2024 | Stand 06.09.2024, 16:44 Uhr |

Obwohl er wenige Tage zuvor noch notoperiert werden musste und ihm eigentlich davon abgeraten wurde, das Pokalspiel gegen 1860 München im vergangenen November zu besuchen, wollte es sich FCP-Kapitän Simon Rauscheder (mit Kappe) nicht nehmen lassen, den 1:0-Coup im Kreis seiner Teamkollegen zu feiern. Fotos: Manfred Schalk

Dieses Datum hat sich eingebrannt im Gedächtnis von Simon Rauscheder: Der 26. Oktober 2023, ein Donnerstag. Abschlusstraining beim FC Pipinsried vor dem Rückrundenstart in Nördlingen. Vor dem Ende der Übungseinheit noch ein Trainingsspiel. Die Plätze sind um diese Jahreszeit bereits tief, sowie an jenem Abend. Rauscheder trug Stollenschuhe, um einen besseren Halt auf dem feuchten Rasen zu haben. Als er einen Teamkollegen attackieren wollte, blieb er mit seinem linken Bein im Boden hängen, verdrehte sich das Knie und stürzte. „Bei den Schmerzen, die ich hatte, habe ich sofort realisiert, dass was kaputt ist“, erinnert sich der Kapitän des Fußball-Bayernligisten. Das MRT bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Nur das hintere Kreuzband ist ganz geblieben, alles andere war kaputt – ein Totalschaden im Knie.

Im Frühjahr 2023 hatte er schon eine Horrorverletzung

„Nicht schon wieder“, sagte Rauscheder noch auf dem Pipinsrieder Trainingsplatz. Seine Worte klangen verzweifelt, denn sieben Monate zuvor hatte er schon mal eine Horrorverletzung erlitten. Dabei hatte sich der Abwehrspieler nach seinem Wechsel im Sommer 2022 von Geretsried zum damaligen Regionalligisten gerade etabliert, im darauffolgenden Winter wurde er zum neuen Kapitän ernannt. Die ersten Saisonspiele hatte er verpasst. Ein Gundelfinger Ellenbogen fügte ihm im vorletzten Vorbereitungsspiel einen Augen- und Kieferhöhlenbruch zu. Rauscheder kämpfte sich zurück, wurde zur Stammkraft in der Pipinsrieder Innenverteidigung – bis zum Spiel in Eichstätt.

Dort zog sich der heute 24-Jährige nach einem Foul einen Wadenbeinbruch zu. Er bemerkte die Fraktur zunächst nicht, spielte die Partie sogar noch zu Ende. Hinterher fuhr er mit seiner Freundin Natalie nach Regensburg, doch statt eines schönen Wochenendes in der Domstadt ging‘s für ihn noch am Abend in die Notaufnahme der Regensburger Uniklinik. Die Schmerzen und der Druck im Unterschenkel wurden immer schlimmer. Inzwischen hatte sich ein Kompartmentsyndrom entwickelt, wodurch die Blutversorgung gestört wurde, ihm drohte gar die Amputation des Beins. „Ich wurde sofort operiert, es war höchste Eisenbahn“, erzählt Rauscheder.

Die Nachricht des behandelnden Arztes, das Bein vielleicht sogar zu verlieren, war für ihn ein Schock. Völlig aufgelöst kreisten seine Gedanken nicht mehr darum, vielleicht nicht mehr Fußball spielen zu können, sondern wie ein künftiges Leben nach einer Amputation ausschauen würde. Doch viel mehr Überlegungen konnte er nicht mehr anstellen, die Morphiumspritze gegen die starken Schmerzen versetzten ihn in einen Dämmerzustand, bevor es in den OP-Saal ging. Heute zeugt eine knapp 40 Zentimeter lange Narbe unterhalb des Knies von der Horrorverletzung. Aber keine vier Monate später stand er bereits wieder auf dem Fußballplatz.

Diesmal steht Rauscheder allerdings ein weiter Weg zurück auf den Rasen bevor. Einen Tag nach der OP in der Orthopädischen Chirurgie in München-Sendling waren es seine Teamkollegen, die seine Stimmung wieder aufhellten. Er lag ziemlich niedergeschlagen in seinem Krankenzimmer, als plötzlich die Tür aufging und gut 20 Pipinsrieder Fußballer hereinspazierten und ihm einen unangekündigten Besuch abstatteten. „Da war ich kurz davor, emotional zu werden. Das war schon eine coole Aktion und brutal aufbauend. Dafür bin ich heute noch dankbar“, sagt der in Dorfen bei Wolfratshausen aufgewachsene Kicker heute noch berührt. Er empfand den Besuch als Wertschätzung und Kompliment für ihn – deshalb fasste er noch im Krankenbett den Entschluss: „Ich muss noch einmal angreifen.“

„Die Bänder sind wieder zu 100 Prozent hergestellt“

Andere würden angesichts einer solchen Krankenakte derlei Gedanken an ein Comeback wohl verwerfen. „Die Gesundheit geht jetzt aber vor“, betont Rauscheder. Er hat sich inzwischen Ziele gesetzt. Die Zuversicht bezüglich einer Rückkehr auf den Fußballplatz ist mittlerweile, anders als noch im ersten Halbjahr 2024, wieder groß. „Da gab es wenig Fortschritte, auch die Therapeuten waren mit ihrem Latein etwas am Ende“, blickt Rauscheder, der seinen Bachelor in Sportmanagement gemacht hat und in Vollzeit bei der Münchner Fußballschule arbeitet, zurück. Er konsultierte nochmals Professor Mirco Herbort, der Rauscheder im November 2023 operiert hatte. Für den Kniespezialisten waren die starken Vernarbungen der Grund, warum der Genesungsprozess nicht so recht voranging. „Er meinte, er kriegt‘s wieder wie vor der Verletzung hin“, sagt Rauscheder, „und die Bänder sind jetzt auch wieder zu 100 Prozent hergestellt.“

Nach der inzwischen dritten OP im Juni dieses Jahres – im vergangenen November musste er noch einmal, wenige Stunden nach seiner Entlassung aus der Klinik, notoperiert werden, weil aus dem stark angeschwollenen Knie Blut austrat – geht‘s nun aufwärts. „Ich habe jetzt mit dem Krafttraining begonnen und befinde mich in der Aufbauphase. Das ist vor allem für den Kopf gut“, berichtet Rauscheder.

„Wenn es ein Comeback gibt, dann nur beim FCP“

Die Wintervorbereitung hat sich der in München lebende Abwehrspieler als Ziel gesetzt. Bedingung: Ärzte und Therapeuten geben grünes Licht. „Bis zum Sommer 2025 will ich eigentlich nicht mehr warten“, sagt Rauscheder, schon schier mit den Füßen scharrend. Er wird aber sicherlich nichts überstürzen, schließlich hätte er dann über 14 Monate kein fußballspezifisches Training gehabt.

„Wir hoffen, dass er wieder gesund wird und zurückkommt. Einen wie ihn können wir gut gebrauchen“, sagt Sportlicher Leiter Johannes Müller. Mit seinen Teamkollegen ist der verletzte Kapitän eng verbunden, lässt fast kein Punktspiel des FCP aus. „Ich habe mich noch nie in einer Herrenmannschaft so wohlgefühlt wie hier“, betont Rauscheder, „und wenn es ein Comeback gibt, dann nur beim FCP!“ Der 26. Oktober 2023 soll nicht das Ende seiner Karriere markieren.

AZ

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