„Ich neige dazu, Ihnen zu glauben“, machte Richterin Eva-Maria Grosse deutlich. Eine 22-Jährige hatte sich wegen Geldwäsche in zwei Fällen vor dem Aichacher Amtsgericht zu verantworten.
Da sie belegen konnte, dass die Geldabgänge und ihr Aufenthaltsort im Widerspruch stehen, kann von einem Datenklau ausgegangen werden. Der Staatsanwaltschaft blieben zwar Zweifel, wie dieser vonstatten gegangen sein könnte, doch letztlich plädierte auch sie für einen Freispruch.
Mitte Juni des vergangenen Jahres hat ein unbekannter Täter Eltern kontaktiert, sich als ihr Kind ausgegeben und so in zwei Fällen rund 1900 und 1700 Euro ergaunert. Richterin Eva-Maria Grosse vermutete bei Gericht schnell den sogenannten Enkeltrick dahinter.
Zwei Monate vor der Tat hatte die Angeklagte, damals 20 Jahre alt und im Landkreis Aichach-Friedberg wohnhaft, ein Konto eröffnet, weil sie im Anschluss für einige Monate von zu Hause aus wegging, um Abstand von ihrer Familie zu gewinnen und in Niedersachsen zu arbeiten, wie sie aussagte. Ihr Vater hatte ebenfalls eine Vollmacht über ihr Konto und versorgte sie darüber auch regelmäßig mit Geld für ihren Lebensunterhalt. Richterin, Verteidiger und Staatsanwalt warfen bei Gericht einen Blick auf die Kontoauszüge der jungen Frau: Zunächst waren nur die Überweisungen des Vaters und kleine Abbuchungen durch die Tochter, etwa für Lebensmittel, belegt. Plötzlich gingen aber zwei große Geldbeträge von mehreren Tausend Euro ein, die kurze Zeit später wieder abgehoben wurden.
Diese Transaktionen sind der Angeklagten aufgefallen, weshalb sie ihren Vater bat zu klären, wie diese zustandegekommen seien. Er meldete die Vorgänge schließlich der Polizei, wie er als Zeuge berichtete.
Auch eine Geschädigte meldete sich bei der Polizei, nachdem ihr vermeintliches Kind sie im Chat gesiezt hatte und sie eine kriminelle Masche befürchtete.
Geschädigte wird stutzig,als ihr „Sohn“ sie siezt
Die Angeklagte nutzte zur Zeit der Transaktionen ein Zahlungssystem für mobile Geräte, in ihrem Fall das Handy. Ihr Anwalt Werner Weiss geht davon aus, dass sie Opfer einer derzeit gängigen Betrugsmasche wurde, bei der zunächst Kontodaten erschlichen werden und dann ein fremder Zugriff auf die App erfolgt. Wie genau die Täter vorgegangen sind, konnte er nicht rekonstruieren, doch gab zu bedenken, dass dies „leichter als man denkt“ sei für die Kriminellen.
Der Kontoverlauf sei „auffällig“, machte die Richterin deutlich: „Auf einmal, puff, kommt viel Geld, und puff, geht viel Geld.“
Dass die Angeklagte selbst zum Opfer geworden ist, war für Staatsanwalt Dr. Johannes Zehendner „gerade noch plausibel“, weshalb er der Frau trotz Zweifeln glaubte, wie er in seinem Plädoyer deutlich machte.
Die Abbuchungen erfolgten in anderen Orten, zu denen sich zur besagten Zeit weder der Vater noch die Tochter aufgehalten hatten. Aus diesem Grund glaubte auch die Richterin an die Unschuld der Frau und sprach sie frei. Sie gab ihr allerdings als Warnung mit auf den Weg, bei eigenen Online-Transaktionen, etwa Bestellungen in Online-Shops, Vorsicht walten zu lassen, denn dabei könnten Daten in die Hände von Kriminellen gelangen.
Die junge Frau zeigte sich nach der Urteilsverkündung sichtlich erleichtert. Vor der Verhandlung hatte sie stets den helfenden Blick zu ihrem Vater gesucht, der den Sitzungssaal zu Beginn schließlich verlassen musste, um als Zeuge aussagen zu können.
AZ
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