Manchmal lässt sich ein wissenschaftliches Werk in der Biografie des Autors zurückverfolgen, mitunter sogar bis in die Kindheit. Bei Wilhelm Liebhart ist es zweifellos so. Aufgewachsen in Altomünster, ganz in der Nähe der Kirche und des Klosters, sozusagen in ihrem Schatten, war es fast vorgezeichnet, dass er sich später als Historiker mit Klöstern, Orden und dieser sehr speziellen „katholischen Lebensform“ beschäftigen würde. Nun hat er 24 seiner wichtigsten Arbeiten in einem Band versammelt und damit wieder leicht zugänglich gemacht.
Die Texte sind dabei nur ein Ausschnitt aus der tatsächlich fast lebenslangen Beschäftigung mit dem „Klosterland Oberbayern und Schwaben“, wie der Titel des Buches heißt. Denn die Bibliografie führt 112 einschlägige Veröffentlichungen auf, die ersten hat Liebhart noch als Student publiziert. Folgerichtig schrieb er dann auch seine Dissertation als Assistent von Pankraz Fried, Professor für Landesgeschichte an der Universität Augsburg, über „Die Reichsabtei St. Ulrich und Afra zu Augsburg“.
Die Unterschiede zwischen Schwaben und Oberbayern
Sie hatte für Liebhart mehr als den Charakter einer sogenannten Qualifizierungsarbeit. Erst mit der Doktorarbeit, so schreibt er in dem neuen Band, habe sich ihm das Kloster als besondere katholische Lebensform in ihrer Tiefe und historischen Bedeutung erschlossen. Diese Deutung des Klosters als eine Lebensform, die besonders auch in dem Klosterland Schwaben und Oberbayern eine besondere Bedeutung hat und tief in den Orten verwurzelte Geschichte, ist so etwas wie eine Leitmotiv vieler der Aufsätze.
Ein zweites durchgängiges, mitunter subkutanes Motiv ist die unterschiedliche Struktur des Klosterlands Schwaben und Oberbayern. Sie liegt in den Unterschieden des Herrschaftsaufbaus begründet.
In Schwaben bildeten Benediktinerklöster, Augustinerchorherren und Prämonstratenser-Stifte Formen staatlicher Herrschaft aus und strebten nach Reichsunmittelbarkeit und Reichstandschaft, argumentiert der Historiker. Er spricht von „Klosterstaaten“, die sich über einen langen, mitunter jahrhundertelangen Prozess herausbildeten.
Die wichtige Rolle der Wittelsbacher
Jenseits des Lechs, in Oberbayern sei das nicht nötig gewesen, weil die Wittelsbacher als Herzöge und Kurfürsten von Bayern die Klöster schützen. „Schwäbische Vielfalt und Kleinstaatlichkeit“einerseits und auf der anderen Seite „altbayerische Einheit und Geschlossenheit“: So bringt der Altomünsterer diese Unterschiede auf den Punkt.
Die Beschäftigung mit den Klöstern ist eine Konstante in Liebharts Tätigkeit als Bibliothekar, Professor an der Universität Augsburg, als Lehrender, Forschender und auch als leidenschaftlicher Vermittler. Bis heute ist er als Museumsleiter in Altomünster, als Herausgeber und in den unterschiedlichsten Formen der Erwachsenenbildung tätig. Er steht dafür, dass auch Wissenschaft, dass Forschung und eine Lehre eine Lebensform sind.
Ein Schwerpunkt seiner gesamten Veröffentlichungen und auch in dem neuen Band liegt naturgemäß in der Geschichte „seines“ Klosters Altomünster, aber bei weitem nicht nur. Tiefe, auf genauer Archivarbeit basierende Analysen sind unter anderem den Klöstern Kühbach, Thierhaupten, Indersdorf, aber auch Fürstenfeld, Irsee und immer wieder St. Ulrich und Afra in Augsburg gewidmet.
Thema eines ganzen Forscherlebens
Der 74-Jährige zitiert in dem neuen Buch unter anderem den Aufklärer Georg Ludwig Boehmer mit dem Satz: „Wer die Geschichte Deutschlands schreiben will, der muss die Geschichte seiner Klöster schreiben.“ Für Schwaben und Altbayern hat Liebhart das über Jahrzehnte gemacht. Aber er hat die Geschichte der Region auch aus anderen Perspektiven beschrieben, etwa in seiner Beschäftigung mit den Märkten, einer anderen Konstante in seinem wissenschaftlichen Leben.
Ein Band mit den wichtigsten Arbeiten zu den Märkten würde das neue Buch bestens ergänzen – und ist, wer weiß, vielleicht schon in Vorbereitung.
Wilhelm Liebhart: Klosterland Oberbayern und Schwaben. Landesgeschichtliche Beiträge zu einer katholischen Lebensform. EOS-Verlag, 535 Seiten, 34,95 Euro.
AZ
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