Interview mit Michael Stiller
Angelo Stiller vor DFB-Debüt: „Da bekommt sogar der Onkel eine Gänsehaut“

04.09.2024 | Stand 05.09.2024, 9:05 Uhr |

Neu-Nationalspieler Angelo Stiller (rechts), Neffe des ehemaligen Pipinsrieder Spielertrainers Michael Stiller, mit seinem Trainer und Förderer Sebastian Hoeneß. Foto: imago images

Angelo Stiller vom VfB Stuttgart ist der einzige Debütant, den Bundestrainer Julian Nagelsmann für die beiden Nations-League-Spiele gegen Ungarn und die Niederlande ins DFB-Aufgebot berufen hat. Den Onkel des 23-jährigen Neu-Nationalspielers kennt die Fußballszene der Region noch bestens.



Michael Stiller, der, so lange wie kein anderer, 14 Jahre, davon sechs als Spielertrainer, beim FC Pipinsried war, im Interview:

Von wem hat Ihr Neffe Angelo das Talent geerbt. Von Ihnen oder von seinem Vater?


Michael Stiller: Auch mein jüngster Bruder Matthias, Angelos Vater (er spielte für ein halbes Jahr ebenfalls beim FCP/Anm. d. Red.), war ein guter Fußballer, spielte in der Jugend bei Bayern und Haching, ehe er dann früh Vater wurde und sich ganz auf die Familie konzentrierte. Auch unser Vater war ein guter Fußballer. Ich würde sagen, dass es in der Familie Stiller gute Fußballgene gibt. Er hat von allen das Beste mitbekommen.

Wie stolz sind Sie auf Ihren Neffen, dass er jetzt in die Nationalmannschaft berufen wurde?


Stiller: Das ist unglaublich und eine wahnsinnige Leistung. Aber nicht nur, weil er jetzt Nationalspieler ist, sondern vor allem der Weg, um dorthin zu gelangen.

Haben Sie es für möglich gehalten, dass er eines Tages Nationalspieler wird?


Stiller: So was kann man nie vorhersehen. Aber seine brutale Spielintelligenz ist mir schon früh aufgefallen. Um aber Nationalspieler zu werden, gehört mehr als nur Können und Fleiß dazu. Du brauchst einen Förderer, musst im entscheidenden Moment das Glück haben und beim richtigen Verein und in der richtigen Mannschaft spielen. Er hat sich die Nominierung nicht nur mit drei guten Spielen erarbeitet, sondern hat in der vergangenen Saison 30 Spiele konstant auf einem hohen Level bestritten.

Wann hat es sich abgezeichnet, dass er das Zeug für eine Profikarriere haben würde?


Stiller: Als Angelo bei Bayern in die A-Jugend wechselte. Da hat man sein Riesenpotenzial gesehen. Er war und ist ja nie der Schnellste, aber bei ihm hat man früh gesehen, wie man fehlendes Tempo durch Stellungsspiel wettmachen kann.

Im Nachhinein ist Ihr Neffe den richtigen Weg gegangen, aufgrund der fehlenden Perspektive bei den Bayern erst nach Hoffenheim und dann vor einem Jahr nach Stuttgart zu wechseln.


Stiller: Bei den Bayern werden sie sich auf dem Campus noch immer in den Hintern beißen, dass sie einen Spieler, der bei ihnen zehn Jahre ausgebildet wurde, ablösefrei ziehen lassen mussten. Aber für Angelo war der Wechsel nach Hoffenheim das Beste, was er machen konnte. Und dann kam, wie ich vorher sagte, im richtigen Moment das Glück dazu, dass beim VfB der Japaner Wataru Endo, der auf Angelos Position als Sechser spielte, nach Liverpool wechselte. Ansonsten hätte Stuttgart nicht das Geld gehabt, um ihn aus Hoffenheim zu holen (Ablöse 5,5 Millionen/Anm. d. Red.). Mit dem VfB wurde er dann Vizemeister und spielt jetzt in der Champions League – für ihn hätte es nicht besser laufen können.

Wie wichtig war für seine Karriere VfB-Trainer Sebastian Hoeneß, mit dem er schon bei den Bayern und in Hoffenheim zusammengearbeitet hat?


Stiller: Es ist vielleicht eine Fügung Gottes: Aber wo Hoeneß trainiert und Angelo spielt – da passt es einfach. Unter André Breitenreiter und Pellegrino Matarazzo bekam er in Hoffenheim nicht mehr diese Einsatzzeiten wie unter Hoeneß. Es ist so, wie ich sagte: Du brauchst einen Förderer, und Sebastian Hoeneß ist sein Förderer.

Wird man Ihren Neffen früher oder später wieder bei den Bayern sehen?


Stiller: Wahrscheinlich, wenn Hoeneß mal Trainer bei den Bayern werden sollte. Im Fußball ist jedenfalls alles möglich.

Hat Angelo auch Sie bei seiner Karriereplanung mal um Rat gefragt?


Stiller: (lacht) Nein, im Profibereich kenne ich mich nicht aus. Aber wenn er mal 40 ist, und bei einem Amateurverein spielen möchte, dann sage ich ihm, wohin er gehen soll.

Wie intensiv verfolgen Sie die Karriere Ihres Neffen?


Stiller: Ich schaue mir im Fernseher nicht mehr die Bundesliga-Konferenz, sondern jedes Spiel des VfB an. Selbst war ich noch nicht bei einem Spiel in Stuttgart, weil das, so lange ich selbst noch Trainer bin (die sechste Saison beim Kreisligisten Allershausen, zuletzt mit 50 sogar noch als Spielertrainer/Anm. d. Red.) nicht so einfach ist. Aber wenn er jetzt in der Nationalmannschaft debütiert, werde ich vor dem Fernseher die Nationalhymne mitsingen. Da bekommt dann sogar der Onkel eine Gänsehaut.

Das Gespräch führte Herbert Walther

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