Bürgerfreundliche Kontrolleure

13.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:41 Uhr

Der Parkscheinautomat funktioniert wieder. Nach der Reparatur macht Reiss die Probe aufs Exempel.

Ingolstadt (DK) Auf den ersten Blick sieht seine weißblaue Kopfbedeckung aus wie eine Kapitänsmütze. Die Uniform, mit der Wilhelm Reiss, der seit zehn Jahren als Verkehrsüberwacher in der Ingolstädter Altstadt unterwegs ist, macht richtig was her. Wenngleich die zwölf Überwacher durchaus Respekt einflößend wirken, sie sind bürgerfreundlicher, als viele meinen.

Es ist 15 Uhr. Der erste Weg, den der 46-jährige Vohburger zu Beginn seines zweiten Streifenganges an diesem Tag zurücklegen muss, führt ihn in die Beckerstraße. Ein Parkscheinautomat ist defekt. Auf dem Display steht: "Münzzahlung nicht möglich." Wilhelm Reiss geht der Sache auf den Grund. "Ein Münzstau", erklärt er, nachdem er den Automaten geöffnet hat. Beim Versuch eines Verkehrsteilnehmers, mehrere Münzen gleichzeitig einzuwerfen, ist eine hängen geblieben. Um 15.12 Uhr ist der Automat repariert. Es folgt eine Meldung an den Kollegen. Die Ausrede, der Parkscheinautomat sei kaputt gewesen, gilt ab sofort nicht mehr.

Der Verkehrsüberwacher hat alles dabei, was er braucht. In sein mobiles Datenerfassungsgerät, das aussieht wie ein in die Jahre gekommener Taschenrechner, tippt er Autonummer und die eingespeicherte Nummer des jeweiligen Verkehrsdeliktes ein. Mit einem tragbaren Drucker kann er den Strafzettel gleich ausdrucken lassen. Bei anderen Ordnungswidrigkeiten, etwa ein nicht angeleinter Hund, werden wie früher die Strafzettel noch mit Hand geschrieben. In der Stunde, in der der DONAUKURIER mit dem Verkehrsüberwacher auf Tour geht, bleibt dieser Block in der Tasche.

Auf dem Theaterparkplatz ist alles ruhig. Wilhelm Reiss schaut mit geschultem Auge auf die Windschutzscheiben. Keiner der Parkscheine ist abgelaufen, auf dem Behindertenparkplatz steht ein Wagen mit Berechtigungsschein. Das ist nicht immer so. Parken auf dem Behindertenparkplatz kostet 35 Euro. "Die Wiederholungstäter kennt man mit der Zeit", erzählt Reiss.

Ein Verkehrsüberwacher muss gut zu Fuß sein. "Ich lege am Tag gute zwölf Kilometer zurück." Joggen braucht Wilhelm Reiss in seiner Freizeit nicht. In der Schutterstraße – beim Theatervorplatz – entdeckt er einen Wagen mit rotem Nummernschild. Er steht im eingeschränkten Halteverbot. Der Zusatz "Ladegeschäfte maximal 30 Minuten" am Halteverbotsschild gilt nur für den Wochenmarkt. In dem abgestellten Auto liegt ein Zettel. Auf dem steht, mit Filzstift geschrieben: "15 Uhr". Dahinter parkt ein Audi "Quattro". Die eingestellte Parkscheibe nützt dem Fahrer wenig. Noch ehe Reiss seinen kleinen Computer herausholen kann, eilen zwei Männer heran. "Ich war nur schnell beim Rechtsanwalt und hab’ was abgeholt", sagt der eine, der andere, auch er wirkt abgehetzt, war nur kurz in einem Geschäft. "Kein Problem, ich lasse Sie wegfahren", zeigt sich Reiss kulant. Die Autofahrer bedanken sich artig und machen sich schleunigst auf den Weg.

"Man muss dem Bürger ein bisschen entgegenkommen", betont der Verkehrsüberwacher. Das geht freilich nicht immer. So müssen sich die Kontrolleure manchmal auch einiges anhören. "Wenn’s regnet sind die Passanten grantiger. Wenn’s zu heiß ist, werden sie schnell aggressiv." An diesem Tag jedoch gibt es keine Konfrontationen. Auch, wenn es doch noch einige Strafzettel hagelt. In der Steuartstraße etwa – hier gilt eingeschränktes Halteverbot. Trotzdem parken fünf Autos. Wilhelm Reiss notiert Kennzeichen, Zeiten und Radstand und marschiert weiter in die Donaustraße. Hier fallen ihm sechs verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge auf. "Was glauben Sie, wie oft die Leute, die hier im Café sitzen, aufspringen, wenn sie mich sehen", schmunzelt der Mann in der blauen Uniform. Vier der sechs Wagen werden die Toleranzzeit von zehn Minuten überschreiten. Die Besitzer finden, wenn sie zurückkommen, eine Verwarnung vor. Von den Autofahrern in der Steuartstraße bekommen drei einen kostenpflichtigen Gruß.

Bei einem grünen Mini, der in der Spitalstraße besonders frech parkt, kennt Reiss kein Pardon. Der Parkschein ist bereits um 13.57 Uhr abgelaufen. Es ist kurz nach 16 Uhr. Die Windschutzscheibe des eleganten, kleinen Gefährtes ziert nun ein Strafzettel. Um das Bußgeld von 20 Euro wird der Besitzer nicht herumkommen.