Die Geschichte der Opfer aus Ingolstadt
Vortragsabend im Medizinhistorischem Museum zu NS-„Euthanasie“ und Hirnforschung

10.01.2025 | Stand 10.01.2025, 9:07 Uhr |

Bis in die 1990er-Jahre hinein wurde in der medizinischen Forschung, Lehre und Wissenschaft mit Hirnpräparaten von NS-Opfern gearbeitet. Sogenannte Hirnschnitte sind 2015 und 2016 in den Archiven der Max-Planck-Gesellschaft in München entdeckt worden. Daraufhin erteilte die Gesellschaft den Auftrag für ein Forschungsprojekt, dessen Zwischenergebnisse Philipp Rauh bei dem Vortrag vorstellen wird. Foto: Grubitzsch, dpa (Archiv)

Zwischen 1939 und 1945 wurden im Rahmen der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Aktionen etwa 300 000 Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen ermordet. Am 18. Januar 1940 fand die erste Deportation der Gasmordaktion „T4“ von der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar in eine Tötungsanstalt statt.

Dieser Tag ist daher dem Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde gewidmet. Deshalb laden am Samstag, 18. Januar, das Zentrum Stadtgeschichte und das Deutsche Medizinhistorische Museum um 19 Uhr zum kostenfreien Vortragsabend ein.

Dabei geht es um Opfer der NS-„Euthanasie“ aus Ingolstadt, Hirnforschung und NS-Krankenmord an den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Deutschen Medizinhistorischen Museums mit dem Zentrum für Stadtgeschichte, vertreten durch Agnes Krumwiede, freie Mitarbeiterin beim Projekt „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ am Stadtarchiv Ingolstadt, und Philipp Rauh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Technischen Universität München.

Zu den Opfern zählen auch Kinder

Bisher sind 56 Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger bekannt, die zwischen 1940 und 1941 in der Gaskammer der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz ermordet wurden, weil sie psychisch erkrankt oder behindert waren.

Mindestens 30 Menschen aus Ingolstadt fielen den dezentralen NS- „Euthanasie“-Morden zum Opfer. Sie wurden überwiegend in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar durch Mangelernährung, Medikamentenüberdosierung oder systematische Vernachlässigung getötet.

In der „Kinderfachabteilung“ der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar sind zudem fünf Kinder aus Ingolstadt im Rahmen der sogenannten Kindereuthanasie durch Medikamentenüberdosierung ermordet worden. Insgesamt gab es in der Stadt und dem ehemaligen Landkreis fast 100 Opfer.

Seit drei Jahren wird die NS-„Euthanasie“ im Rahmen des Projektes „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ am Zentrum Stadtgeschichte aufgearbeitet. Bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung präsentiert Agnes Krumwiede die Zwischenergebnisse der Recherchen nach Ingolstädter Opfern der NS-„Euthanasie“ und stellt Einzelschicksale vor.

An den Opfern der NS-„Euthanasie“ fanden regelmäßig neuropathologisch-anatomische Befunderhebungen statt. Insbesondere die ermordeten Kinder riefen das Interesse der Hirnforscher hervor.

Darunter finden sich auch Ingolstädter Opfer. Bis in die 1990er-Jahre hinein wurde in der medizinischen Forschung, Lehre und Wissenschaft mit Humanpräparaten von NS-Opfern gearbeitet.

Nachträgliches Abschiednehmen von Angehörigen

Nachdem in Archiven der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) 2015 und 2016 Hirnpräparate von NS-„Euthanasie“-Opfern entdeckt worden waren, erteilte die MPG den Auftrag für ein Forschungsprojekt.

Am 1. Juni 2017 startete das Verbundprojekt „Hirnforschung an Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Kontext nationalsozialistischer Unrechtstaten: Hirnpräparate in Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und die Identifizierung der Opfer“ mit dem Ziel, die Identität der Opfer zu klären und ihren Angehörigen einen ethischen Umgang mit den sterblichen Überresten ihrer Familienmitglieder zu ermöglichen. Philipp Rauh ist einer der Projektleiter und wird über die Zwischenergebnisse des Verbundprojektes berichten.

Veranstaltungsort ist das Deutsche Medizinhistorische Museum. Der Vortrag dauert etwa 60 Minuten und kann auch als Web-Conference mitverfolgt werden. Der Einwahllink ist auf der Homepage des Deutschen Medizinhistorischen Museums zu finden: https://www.dmm-ingolstadt. de/aktuell/alle-veranstaltungen.html. Es ist keine Voranmeldung nötig.

DK

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