Ingolstadt
Vor einem halben Jahrhundert wurde die Schutter umgeleitet

Sie mündet heute in den Künettegraben

31.05.2022 | Stand 22.09.2023, 22:42 Uhr

Die Mündung der Schutter in die Donau zeigt der Stadtplan nach dem kleinen Sandtnermodell von 1572 beim Neuen Schloss. Fotos: DK-Archiv

Von Bernhard Pehl

Ingolstadt – Von der einstigen Lebensader der Stadt ist in deren Zentrum heute nicht mehr viel zu sehen. Nur die etwas versteckt liegende Stahlplatte von Ludwig Hauser in Höhe des Kap 94 markiert den Ort, wo die Schutter in die Donau mündet. Vor genau 50 Jahren wurde der Ingolstädter Hausbach, mit dessen Wasser jeder richtige Schanzer getauft ist, umgeleitet. Jahrhunderte lang war die Schutter durch die Stadt und in Höhe des Neuen Schlosses (später im Schutterableitungskanal in Höhe Rodinghütte) in die Donau geflossen. Doch mit dem Bau der Zentralkläranlage mussten die Verantwortlichen ihr Bett trockenlegen.

Ältere Ingolstädter erzählen noch heute, wie sie in der Schutter das Schwimmen gelernt haben oder auf dem Künettegraben Schlittschuh gefahren sind. Heute kaum mehr vorstellbar, denn seit die Schutter Mitte 1972 in den Künettegraben umgeleitet wurde, von wo aus sie in die Donau mündet, friert dieser Bestandteil der früheren Landesfestung nicht mehr zu.

Grund für die Umleitung war der Bau der Zentralkläranlage, die wegen der wachsenden Einwohnerzahl und der Eingemeindungen (Gebietsreform) unumgänglich war. Seitdem müssen das Schutterwasser und die schmutzigen Abwässer getrennt geleitet werden. Ansonsten hätte nämlich die Kläranlage nicht nur die Abwässer zu reinigen, sondern auch das Wasser der Schutter, was höhere Kosten bedeutet hätte. Außerdem wollte man sich die teure jährliche Reinigung sparen. Denn auf dem 32 Kilometer langen Weg der Schutter vom Galgenberg bei Wellheim nach Ingolstadt (Gefälle: 34 Meter) sammelte sich allerhand an.

Was heute so einfach scheint, war damals Gegenstand jahrelanger Diskussionen. Denn es standen grundsätzlich drei Varianten zur Wahl. Die theoretisch mögliche Einleitung der Schutter in die Donau in Höhe Rossmühlstraße schied wegen der sehr hohen Kosten von vorneherein aus. Variante 2 sah eine Umleitung der Schutter im Westen der Gerolfinger Straße (rund drei Kilometer vor dem Künettegraben) in den Ludlgraben vor, was am günstigsten gewesen wäre. Doch dagegen wehrten sich nicht nur die Anlieger. Es kam sogar zu einer Art Bürgerentscheid. 3800 Ingolstädter sprachen sich mit ihrer Unterschrift gegen diese Variante aus: Sie befürchteten eine Zerstörung des gewohnten Landschaftsbilds rund um den Winklerweiher (damals ein beliebter Badeweiher) und beim Schuttermoos.

Ende Oktober 1970 griff die SPD-Stadtratsfraktion das Ergebnis der Unterschriftenaktion auf und machte sich für Variante 3 stark: Diese sah eine Beibehaltung des Laufs der Schutter bis zum Künettegraben vor, wobei die SPD zugleich den Bau eines Wanderwegs für die Bevölkerung forderte. Diesem Antrag schloss sich der Stadtrat daraufhin einstimmig an, nachdem ein alternativer Antrag, den alten Kanal längs der Stadtmauer für eine Schutterumleitung zu nutzen, nicht verwirklich werden konnte. Dieser alte Kanal, im Volksmund auch „Bacherl“ genannt, war nicht einmal einen Meter breit und somit viel zu klein, um das Wasser der Schutter aufzunehmen. Außerdem war die Verbindung zur Donau nicht mehr erhalten.

Große Bedenken gab es jedoch seitens der Anwohner, denn die Schutter hatte bislang nie Hochwasser, wohl aber die 1924/25 erbauten Entwässerungsgräben zur Ludl. Ein weiterer Punkt: Manche dieser Bürger leiteten ihre Abwässer noch direkt in den im Stadtgebiet größtenteils überdeckten Bach ein, der nur noch hinter der früheren Liebl-Klinik offen lag. Um sich selber ein Bild zu verschaffen, traf sich der Stadtrat sogar zu einem unterirdischen Ortstermin im Schutterbett, das regelmäßig jedes Jahr trockengelegt wurde, um es von den Unmengen von Schlamm und Unrat zu befreien. Wie den zeitgenössischen Berichten zu entnehmen ist, soll es etlichen Stadträten dabei ziemlich unwohl geworden sein...

DK