Zahlen, Unterbringung, Hilfen
Ukraine-Flüchtlinge: So ist die derzeitige Lage in Ingolstadt

Unterbringung läuft gut – Ohne Ehrenamtliche wäre alles sehr schwierig

01.04.2022 | Stand 23.09.2023, 2:06 Uhr |

Frauen, Kinder, Senioren: Sie fliehen aus der Ukraine. Knapp 1000 Geflüchtete sind derzeit in Ingolstadt untergebracht. Das Foto entstand Erstaufnahmequartier in der Paul-Wegmann-Halle. Sie soll bald wieder für Sport zur Verfügung stehen. Foto: Konze

Von Christian Silvester

Wie hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung wohl noch vor einem halben Jahr dreingeblickt, wenn man ihnen gesagt hätte, dass das Studieren von Frontberichten bald zu ihrer Tagesroutine gehören wird? Eine groteske Vorstellung. Doch seit 24. Februar Realität.

Es hängt vom Verlauf des Krieges Russlands gegen die Ukraine ab, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln. Rund vier Millionen Menschen haben laut den UN die Ukraine bisher verlassen, etwa 400000 kamen in die Bundesrepublik. Dort müssen die Kommunen zügig auf jede Lage reagieren.

Am Donnerstag berichteten OB Christian Scharpf und drei Referenten im Stadtrat über den aktuellen Stand der Dinge in Ingolstadt. Die Zahl der Geflohenen ist von mehr als 1000 leicht gesunken, auf rund 930, davon sind 550 Personen privat bei Verwandten oder Bekannten untergekommen. Die anderen müssen von der Stadt beherbergt werden. Gut 100 wohnen in Notquartieren, 90 in den so genannten Anker-Zentren, 114 in dezentralen Asylbewerberdomizilen und 70 in Hotels.

Man habe die Situation im Griff, die Versorgung laufe gut, die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung sei großartig und die Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015/2016 kämen den Verantwortlichen sehr zupass, hieß es. Jedoch: Die Lage kann sich täglich ändern. Deshalb behält die Stadt den Frontverlauf fest im Blick.

Scharpf erläuterte einen großen Unterschied zwischen den Geflüchteten damals und heute: Seit 2015 kamen vor allem junge Männer, die das Asylverfahren durchlaufen mussten. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind hauptsächlich Frauen, Kinder und alte Menschen auf der Flucht, die kein Asyl beantragen müssen, da sie kraft Beschluss der Innenminister ein humanitäres Aufenthaltsrecht in der EU genießen; wehrfähige ukrainische Männer dürfen das Land nicht verlassen, sie müssen gegen die Invasoren kämpfen oder den Verteidigern ihres Heimatlandes beistehen.

Der OB berichtete von einer „erfreulichen Entwicklung“ bei der Herbergssuche, die ihn aber auch etwas überrasche: Es hätten sich viele Eigentümer gemeldet, die der Stadt Wohnungen anbieten, um dort vorübergehend Flüchtlinge zu beherbergen. „So wurden in kurzer Zeit 197 Plätze geschaffen“, sagte Scharpf. Das entlaste die Situation. Dennoch komme man „nicht drum herum, weiteren Wohnraum zu schaffen“. Aber kein Containerdorf mehr, sondern einfache Unterkünfte in Modulbauweise.

Sozialreferent Isfried Fischer begann seinen Lagebericht mit einem Lob für das „hohe soziale Engagement der Bürgerinnen und Bürger“. Ohne deren Einsatz „wäre das alles nicht zu bewältigen“. Das Konzept der Unterbringung ist nach Dringlichkeit gestaffelt: Erstaufnahme gleich beim Hauptbahnhof (in der ESV-Halle und der Paul-Wegmann-Halle, die aber bald wieder für Sport zur Verfügung stehen soll). Mit Kapazitäten aus der Obdachlosenhilfe und weiteren Räumen (etwa an der Regensburger Straße) gewann man 320 zusätzliche Plätze.

Den Ukrainerinnen und Ukrainern stehen Fischer zufolge keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2 zu, sondern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (obgleich sie keine Asylbewerber sind). Das bedeutet weniger Geld: 367 Euro pro Person im Monat – plus Unterkunftskosten. Man baue die soziale Beratung aus, etwa mit einem Büro im Bürgerhaus Neuburger Kasten, so Fischer.

Der besondere Status der Geflohenen erschwert deren Verteilung auf Unterkünfte. Darauf wies Rechtsreferent Dirk Müller hin: Für sie besteht anders als bei Asylbewerbern keine Residenzpflicht. Flüchtlinge aus der Ukraine dürfen sich – einen Reisepass vorausgesetzt – 90 Tage lang im Land aufhalten, wo sie wollen.

Nicht alle seien an den Grenzen oder den Bahnhofsknotenpunkten (Berlin, München) registriert worden, sagte Müller. Auch das verkompliziert die Aufgabe, mit ausreichendem Vorlauf abzuschätzen, wie viele Personen auf eine Stadt oder einen Kreis zukommen.

Aktuell wohnen in Ingolstadt 154 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter; sie werden allerdings erst drei Monate nach ihrer Einreise schulpflichtig. Die Erziehungsberechtigten dürfen sie aber schon jetzt in eine Schule schicken. Für die Kleinen wurde eine „Willkommensgruppe“ in der Lessing-Grundschule gebildet, die Älteren sollen in die weiterführenden Schulen integriert werden. Auch Bildungsreferent Gabriel Engert muss mit Zahlen rechnen, „die sehr im Fluss sind“. Je nach Verlauf des Krieges.

DK

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