Mit pompös-prächtiger Militärmusik empfingen zunächst allein die Blechbläser das Publikum zum Herbstkonzert des Ingolstädter Kammerorchesters (IKO) im Festsaal des Stadttheaters: Von der Empore herab schmetterten sie frisch und lebendig „La Réjouissance“ aus Händels Feuerwerksmusik, die der „Londoner Starkomponist“, wie es im Programmheft hieß, auf Wunsch des englischen Königs geschrieben hatte. Somit stand fest, dass der erste Teil des Abends bedeutenden Werken aus dem Vereinigten Königreich gewidmet sein würde. Vom Barock bis zur Moderne.
Und der erste Höhepunkt wurde gleich zu Anfang gesetzt: Denn den zweiten und dritten Satz aus dem berühmtesten Trompetenkonzert schlechthin, nämlich dem von Joseph Haydn in Es-Dur, spielte kein geringerer als der hervorragende Solist Christian Höcherl – der sich auch im weiteren Verlauf immer wieder als wahrer Großmeister an seinen Instrumenten erweisen sollte. Das Andante formte er in herrlich satter, voller Wärme, in elegant-graziler Geschmeidigkeit, während er dem finalen Allegro strahlende Verve, flüssig-perlende Leuchtkraft und beschwingte Lust an den virtuosen Attacken verlieh.
Die britische Sicht der bayerischen Alpen erklang in zwei Sätzen aus der Orchesterfassung von „From The Bavarian Highlands“, die der Komponist Edward Elgar eigentlich für Chor konzipiert hat. Das IKO musizierte diese „klingenden Postkarten“ mit starkem Gestus, mit viel Empfinden für die romantisch-zauberhafte, walzerhaft-tänzerische Umsetzung des volkstümlichen Naturidylls.
Heimatliche Volksmusik im quasi „Originalklang“ gab es dann als schon fast traditionelle Überraschung vom Quartett „Die Kastanienstreicher“ zu hören. Konzertmeister Andreas Wittmann und Lydia Drew an den Geigen, Lisa Rendelmann an der Bratsche, Julia Willeitner am Bass sowie Dirigent Klaus Hoffmann an der Steirischen Harmonika traten in zackig-schnittiger Manier mit der von Trompeter Christian Höcherl persönlich geschriebenen „Jojo-Polka“ auf. Was für ein Spaß!
„Kriminell und sensationell“ wurde es dann bei einem Medley aus repräsentativen James-Bond-Hits mit definitivem Wiedererkennungseffekt. Sei es die markante Themenmelodie, die gefühlvolle Ballade „For Your Eyes Only“ oder Songs wie „Live and Let Die“ oder „Goldfinger“ – ausnahmslos bewies das Orchester, dass es auch das filmmusikalische Genre absolut überzeugend beherrscht. Von hochemotional, packend und kontrastreich über fetzig-rockig bis explosiv.
Einen ersten eindrucksvollen Vorgeschmack auf das klanglich im Zentrum stehende Amerika des zweiten Blocks nach der Pause vermittelte der langsame Satz, das Largo aus Antonín Dvořáks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“. Gastsolist Christian Höcherl erfüllte – diesmal am Flügelhorn – das wunderschöne Erkennungsmotiv mit schlichter, purer Elegie, mit bewegend zu Herzen gehender Sehnsucht, umschmeichelt vom traumhaft zarten, samtigen Streicherklang des IKO.
Einen wahren Jazz-Ohrwurm präsentierte als Ankunftsstation der Reise ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten das Holzbläserquartett Julia Vogel und Beate Hacker (Klarinetten), Cvetomir Velkov (Oboe) und Hakan Isiklilar (Fagott), an der kleinen Trommel begleitet von Bernhard Reitberger. George Gershwins „I got rhythm“ (zugleich das Motto des Konzerts) kredenzten sie mit quirligem Swing-Feeling und leichtfüßigem Charme.
Und natürlich durfte an so einem Abend auch Gershwins „Rhapsody in Blue“ nicht fehlen. Zwar ohne den Klavierpart, aber trotzdem nicht minder mitreißend dargeboten in all seiner jazzig groovenden Bluesrhythmik, bunten Farbigkeit, klassischen Sinfonik, spritzigen Wendigkeit und aufgeladenen Energetik.
Weiter ging es mit zwei Stücken des bei Musikern und Stammpublikum bestens bekannten Komponisten Leroy Anderson. Zunächst mit dem originellen „Jazz Pizzicato“, hinreißend freudig und lässig gezupft nur vom Streicherapparat, ganz ohne die Leitung von Dirigent Klaus Hoffmann. Und gleich drei Solotrompeter standen an der Bühnenrampe für das rasant-vergnügte „Bugler’s Holiday“: Christian Höcherl, Robert Schmidl und Alexander Siegert artikulierten dabei nicht nur in extremer Geschwindigkeit äußerst akkurat und präzise zusammen, sondern befanden sich auch interpretatorisch in wunderbarem Einklang.
Auch Dmitri Schostakowitschs raffiniert orchestriertes Kabinettstückchen „Tahiti Trot“, basierend auf dem Musical-Song und Jazz-Standard „Tea for Two“, kam in der Gestaltung des Ingolstädter Kammerorchesters voll fröhlichem, leger aufgelegtem und doch spannungsreich ausgekostetem Witz daher. Die soften und smoothen Facetten seiner enorm wandlungsfähigen Tonsprache zeigte Christian Höcherl dann bei Erroll Garners nachdenklich-sentimenalem „Misty“. Erneut am Flügelhorn entspann er die anschmiegsamen Klänge faszinierend stimmungsvoll, tatsächlich wie in einen feinen Nebel, einen vorhangartigen Schleier gehüllt.
Auf einen umso wilderen Rodeo-Ritt ging es anschließend mit „Hoe-Down“ von Aaron Copland. Mit dynamisch wirbelndem Schwung warf sich hier das gesamte Orchester mitten hinein ins turbulente Geschehen. Als Endstation schließlich Frank Sinatras unsterblicher Welthit „My Way“, bei dem Moderatorin Lena Pauker – nun als Gesangssolistin – und Christian Höcherl an der Trompete sich gegenseitig die anrührenden, monumental sich steigernden Strophen zuspielten.
Begeisterter Applaus, frenetischer Jubel, Stehende Ovationen und zwei Zugaben – darunter „Pomp and Circumstance“ von Edward Elgar, die heimliche britische Nationalhymne mit ihrer lyrischen, in opulentem Pathos sich aufschwingenden Kernmelodie. Bravourös!
DK
Zu den Kommentaren