Bis zu zehn Jahre länger leben
Training mit Rad oder Ergometer – Kardiologe erklärt, warum das so wichtig ist

27.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:21 Uhr

Ob Ergometertraining im Fitnessstudio (Foto oben), zu Hause oder Radfahren im Freien – wichtig ist, dass man es regelmäßig macht, sagt der Kardiologe Bernhard Kehrwald. Das Foto unten zeigt ihn bei einer Rennradtour auf dem Großglockner. Fotos: Hammer, Privat

Die Wetteraussichten fürs Pfingstwochenende sind prächtig. Beste Gelegenheit für eine ausgedehnte Fahrradtour. Das macht nicht nur Spaß, sondern ist auch richtig gesund. Wer regelmäßig auf Fahrrad oder Ergometer steigt, steigert seine Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre, sagt der Ingolstädter Kardiologe Bernhard Kehrwald.

Er empfiehlt das Training nicht nur gesunden Menschen zur Prävention, sondern auch Menschen, die schon mal einen Herzinfarkt erlitten, eine Herzmuskelentzündung oder andere Herzschwäche hatten. Kehrwald: „Das Ausdauertraining ist das Geheimnis unseres Lebens. Wir sind als Jäger und Sammler geboren und nicht, um im Home-Office zu sitzen.“

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt starben 2021 rund 340000 Menschen daran. Krebs kam an zweiter Stelle, danach – mit großem Abstand – Covid 19. Die Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, die Herzleistung zu steigern. Konsequentes Ausdauertraining verbessere die Endothelfunktion und Elastizität der Herzkranzgefäße. Auch die Nachlast in den großen Blutgefäßen werde deutlich reduziert, erklärt der Kardiologe. Will heißen: Das Herz muss durch eine Verminderung des Gefäßwiderstandes in der Muskulatur weniger Kraft aufwenden, um das Blut in den Körper zu pumpen. Der Sportmediziner Prof. Martin Halle von der TU München verwies jüngst in einem Interview auf eine Studie der TU, für die 60-Jährige ein Jahr lang beim Ergometer-Training begleitet wurden. Die Probanden trainierten dreimal die Woche für 30 bis 45 Minuten. Alle drei Monate wurde geprüft, ob das Herz elastischer geworden sei. Die Antwort: ja.

Regelmäßiges Ausdauertraining „wirkt Wunder“

Seit 25 Jahren ist Bernhard Kehrwald niedergelassener Kardiologe in Ingolstadt. „Und seit 25 Jahren empfehle ich meinen Patienten ein regelmäßiges Ausdauertraining“, sagt er. Ein langsam aufbauendes Training auf dem Ergometer, am besten im täglichen Stundenplan festgelegt, mit allmählicher Steigerung der Belastungsstufe wirke „tatsächlich Wunder.“ Diejenigen, die seinem Rat gefolgt seien, „haben dieses Wunder schon am eigenen Leib erfahren.“ Natürlich könne man sich auch fürs Joggen oder für Nordic Walking entscheiden, regelmäßig in der freien Natur Fahrrad fahren oder stramme Waldspaziergänge machen.

Durch die körperliche Aktivität verbessere sich die Lebensqualität, die Stimmungslage und die Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre. „Die Muskulatur wird intensiver mit Sauerstoff versorgt. Außerdem haben wir dadurch täglich selbst die Kontrolle über unser Herz“, sagt Kehrwald, der selbst täglich aufs Ergometer steigt, wenn er nicht gerade mit dem Rennrad unterwegs ist.

94-Jähriger kommt mit E-Bike in die Praxis

Der Arzt erzählt von einem 82-jährigen Patienten, der vor vielen Jahren zu ihm mit einer schweren Kardiomyopathie, einem schwachen Herzen, in die Praxis kam. Sein früherer Kardiologe hatte ihm das Fahrradfahren verboten. Er sei deshalb ganz unglücklich gewesen. Inzwischen sei der Mann 94 Jahre alt, „fährt immer noch täglich auf seinem Ergometer und kommt mit dem E-Bike in die Praxis“. Seine Herzleistung sei weiterhin extrem eingeschränkt, trotzdem sei er gut belastbar und im Alltag nahezu beschwerdefrei.

Ein Ergometer auf Rezept, also die Kostenübernahme durch die Krankenkasse, gibt es nicht. Manche Kassen – etwa die DAK Gesundheit – zahlen bei ärztlicher Verordnung Pauschalen für (geliehene) therapeutische Bewegungstrainer. Allerdings vorrangig für die Wiederherstellung von Muskel- und Gelenkschwächen. Ferner gibt es verschiedene Bonusprogramme. Auf diese oder Präventionskurse verweisen die AOK Bayern und die Audi BKK. Letztgenannte übernimmt bei Verordnung die Kosten für Reha-Sport. Die AOK führt in ihrer Antwort auf unsere Anfrage ein Behandlungsprogramm für Koronare Herzkrankheiten auf, bei dem auch ein gesunder Lebensstil im Fokus stehe.

Konsequentes Ausdauertraining gehört nach Meinung Kehrwalds zu einem gesunden Lebensstil dazu. Er macht seinen Patienten Mut. Mut zum Leben. Zum positiven Denken („das Glas ist halb voll“). Und natürlich zum regelmäßigen Ausdauertraining.