Die meisten der 850 Zuschauer im Gerolfinger Stadion (Ingolstadt) rieben sich am Dienstag in der 87. Minute vermutlich die Augen: Der gastgebende FC hatte Anstoß, und nach einem kurzen Querpass konnte Christian Träsch ohne Gegenwehr durch die Reihen von Relegationsgegner SV Aschau/Inn marschieren und zum 2:2 einschieben.
Bei diesem Spielstand blieb es, sodass der FC Gerolfing auf durchaus kuriose Weise den erhofften Aufstieg in die Bezirksliga Oberbayern schaffte. Im Anschluss gab es natürlich große Freude bei den Gastgebern – aber auch reichlich Diskussionsstoff.
Ausgangspunkt war die heikle Entstehung des 1:2 sechs Minuten zuvor. Mit diesem Treffer hatten die Gäste in der 81. Minute das Hinspielergebnis (2:1 für Gerolfing) exakt egalisiert und zumindest eine Verlängerung erreicht. Die Abläufe, die zum Tor führten, brachten die Gastgeber aber nachvollziehbar in Rage, den Schiedsrichter in Verlegenheit und – nach minutenlangen Diskussionen – die Aschauer Entscheider dazu, einer ebenso besonderen wie bemerkenswerten Fairness-Geste zuzustimmen. Gerade wenn man bedenkt, dass es sich um ein Relegations-Rückspiel handelte.
FC-Kapitän Haunschild am Boden
Wie FCG-Torwart Michael Oblinger nach dem Spiel erzählte, war er in der fraglichen Situation von (Landesliga-)Schiedsrichter Vincenzo Tropeano (Lerchenau) aufgefordert worden, den Ball neben seinem Tor ins Seiten-Aus zu spielen, mutmaßlich, damit ein am Boden liegender Spieler behandelt werden kann. Den anschließenden Einwurf platzierten die Aschauer dann so, dass die unsortiert stehenden Gerolfinger vor dem eigenen Tor direkt unter Druck gerieten, überdies blieb FC-Kapitän Philip Haunschild kurz darauf nach einem leichten Kopftreffer am Boden liegen, sodass es endgültig unübersichtlich wurde. Kurzzeitig schauten sich die Beteiligten um, warteten wohl auf eine Unterbrechung des Schiedsrichters, der diese Chance aber verpasste. Aschau nutzte die Verwirrung, spielte den Ball in Zentrum, wo Burhan Karabaha das einfache 1:2 gelang. All dies war, bei strenger Betrachtung, natürlich regelkonform. Weiterzuspielen, wenn ein Spieler verletzt am Boden liegt, ist in Fußballerkreisen aber seit jeher verpönt, gilt als respektlos und unangemessen.
Ex-Profi Träsch dankt Aschau
Der Gerolfinger Träsch (36), ehemaliger Nationalspieler mit der Erfahrung von 207 Bundesliga-Spielen (VfB Stuttgart, VfL Wolfsburg), ordnete anschließend ein: „Auf der einen Seite Gratulation an Aschau, dass sie mich dann zum 2:2 haben durchlaufen lassen. Das war eine wirklich starke Aktion von ihnen, da kann man nur danke sagen. Andererseits wäre es nach ihrem Tor zuvor aber auch alles andere alles fair gewesen, wenn sie nicht so reagiert hätten.“ Gäste-Trainer Thomas Deißenböck war 20 Minuten nach dem Schlusspfiff noch immer aufgewühlt, fand aber dennoch passende Worte: „Auch wenn ich selber gar nicht alles ganz genau gesehen habe: Zehn Minuten vor dem Ende des Spieles war die Szene vor unserem 2:1 eine ganz beschissene Situation. Zugleich ist klar: Mit so einem Tor will ja niemand aufsteigen, eigentlich noch nicht einmal in die Verlängerung gehen. Deshalb bleibt es für mich dabei, dass es die absolut richtige Entscheidung war, den Gerolfinger im Anschluss durchlaufen zu lassen – auch wenn es für uns natürlich ganz bitter ist, so den Aufstieg zu verpassen.“
Zängler verpasst erneute Gerolfinger Führung
Zuvor hatten beide Mannschaften vor der stattlichen Kulisse die vorhersehbar intensive Partie gezeigt, wobei die Gäste die etwas bessere Spielanlage offenbarten, bei zahlreichen guten Ansätzen aber – wie schon im Hinspiel – Effektivität und Durchschlagskraft vermissen ließen. „Wir wollten eigentlich mehr Ballbesitz haben, dies ist uns aber wie schon in Aschau erneut nicht gelungen“, erklärte FCG-Spielertrainer Stefan Hoffmann. Dennoch war seine Elf nach einer feinen Einzelaktion von Lukas Achhammer (12.) früh in Führung gegangen. Aschau blieb aber gut organisiert, verdiente sich bald durch seinen auffälligsten Offensivspieler Christoph Scheitzeneder (26.) das 1:1 und hatte noch vor der Pause mehrfach die Möglichkeit, in Führung zu gehen.
Nach dem Seitenwechsel vergaben die Gäste weitere Halbchancen, ehe nach knapp einer Stunde ein Dreifach-Wechsel den körperlich sichtlich an die Grenzen kommenden Gerolfingern neues Leben einhauchte. Prompt ergaben sich Chancen, doch Achhammer (60.), Träsch (74.) und vor allem Leo Zängler (64.), der allein vor dem Gäste-Tor auftauchte, vergaben in der beste Phase der Gerolfinger die vorzeitige Entscheidung. „Da hätten wir eigentlich den Sack zumachen müssen, dann hätten wir uns das ganze Zittern erspart“, meinte Hoffmann, der die kämpferische Leistung seines Teams nach der Roten Karte gegen Matthias Hamm (77., grobes Foul) lobte. „Der Wille von den Jungs, das Ding hier auch in Unterzahl noch zu rocken, war unglaublich.“
Auch Eitensheim kann feiern
Am Ende reichte dieses 2:2, der FC Gerolfing verlässt nach sieben Jahren die Kreisliga und steigt – begleitet von einer beachtlichen Fairness-Geste der Aschauer – nun also wieder in die Bezirksliga auf. Mit Bengalos, dem einen oder anderen Bierchen (um 2 Uhr in der Nacht war noch nicht für alle Schluss) und der Unterstützung durch den Kreisklassisten SV Eitensheim, der als Nachrücker nun den Gerolfinger Platz in der Kreisliga einnimmt, ging der denkwürdige Fußballabend im Gerolfinger-Stadion schließlich zuende.
DK
Trainer und Träsch bleiben
Nach sieben Jahren kehrt der FC Gerolfing wieder in die Bezirksliga zurück. Schon in zwei Wochen beginnt die Saisonvorbreitung, wobei bereits feststeht, dass Stefan Hoffmann (40) und Den Lovic (34) die Mannschaft auch weiterhin als Spielertrainer-Duo anleiten werden. „Der Spielerstamm bleibt erhalten, wir haben praktisch von allen Jungs eine Zusage. Ansonsten werden wir nur drei 18- oder 19-jährige Jungs dazunehmen“, erklärte Hoffmann. Routinier Christian Träsch („Das ist der erste Aufstieg meiner Karriere. Ich bin auch in der Bezirksliga dabei.“) bleibt ebenfalls. Fest steht, dass Stürmer Raymond Kreizer zum Landesligisten FSV Pfaffenhofen wechseln wird.
nor
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