Mehr als 11.000 Anrufe
Telefonseelsorge rund um Ingolstadt: Kriegs- und Existenzangst bewegt die Menschen

23.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:21 Uhr

Mehr als 11.000 Beratungsgespräche hat die Telefonseelsorge in der Region im vergangenen Jahr geführt. Foto: IMAGO / Zoonar

11.158 Seelsorge- und Beratungsgespräche hat die Telefonseelsorge Ingolstadt im vergangenen Jahr geführt – rund 300 mehr als noch 2021. Das geht aus dem Jahresbericht der gemeinsamen Einrichtung der Diözese Eichstätt und der Diakonie hervor. Kriegsangst und Existenznöte sind zunehmend Gründe für Sorgen.

„Der Krieg in der Ukraine beschäftigt viele Anruferinnen und Anrufer. Im März 2022 ging es in mehr als zehn Prozent der Gespräche um dieses Thema, oft verbunden mit Gefühlen der Einsamkeit und Angst“, berichtet Hans Iberl, Leiter der Telefonseelsorge Ingolstadt. Bei den ältesten Anruferinnen und Anrufern würden Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wach: „Einige von ihnen, die damals traumatische Erlebnisse hatten, erzählen, dass sie unter Schlafstörungen und Panikanfälle leiden.“

Bei jüngeren Ratsuchenden gehe es vor allem um die Angst, dass sich der Krieg in der Ukraine zu einem Weltkrieg ausweiten könne und es zum Einsatz von Atombomben kommen könnte. „Das Reden am Telefon hilft ihnen, wieder ruhiger zu werden, sie können sich durch das Gespräch entlasten“, sagt Iberl.

Neu auf der Sorgenliste sind im Jahresbericht „Existenznöte durch Kostenexplosion“, die im vergangenen Oktober in fünf Prozent der Gespräche genannt wurden. „Wie bereits in den Jahren 2020 und 2021 haben sich bei Menschen in Krisen und Nöten die Sorgen durch Corona weiter verschärft.

Sie sind dankbar, anonym und kostenfrei mit jemanden reden zu können, ihre Sorgen zu teilen und manchmal gemeinsam zu beten“, erzählt Iberl. Die durchschnittliche Dauer eines Gesprächs liegt bei 25 Minuten.

Die fünf wichtigsten Themenbereiche bei den Anrufen im vergangenen Jahr waren körperliches Befinden (Beschwerden, Erkrankungen, Behinderungen), Einsamkeit und Isolation, familiäre Beziehungen, depressive Stimmung und Ängste. Um Suizidalität, ein sehr häufiges Symptom von Depression, ging es bei etwa 800 Telefongesprächen.

Die ehrenamtlichen Telefonseelsorgerinnen und Telefonseelsorger beraten auch in Chatrooms. Im vergangen Jahr führten sie 541 Chats mit einer durchschnittlichen Dauer von 40 Minuten je Unterhaltung.

„Mit diesem Medium sprechen wir jüngere Menschen an. Mehr als die Hälfte der Ratsuchenden in den Chats sind zwischen 15 und 29 Jahre alt“, erklärt Iberl. Auch in den Chats geht es häufig um Ängste, depressive Stimmung, Probleme in familiären Beziehungen, Selbstbild (Selbstwertgefühl, Scham, Schuld) und Einsamkeit beziehungsweise Isolation. In knapp 30 Prozent der Chats waren Suizidgedanken und -impulse ein Thema.

Zurzeit arbeiten 65 Ehrenamtliche bei der Telefonseelsorge Ingolstadt, acht von ihnen betreuen zusätzlich die Chat-Seelsorge mit. Um das Angebot aufrechtzuhalten, sucht die Telefonseelsorge laufend ehrenamtliche Mitarbeitende. Im Frühjahr 2024 beginnt vor- aussichtlich ein neuer Ausbildungskurs. Interessierte können sich online unter www.telefonseelsorge-ingolstadt.de informieren und sich im Sekretariat melden, Telefon (0841) 910001, E-Mail ts.ingolstadt@bistum-eichstaett.de. Auch mit Spenden kann der Dienst unterstützt werden.

Ratsuchende erreichen die Telefonseelsorge rund um die Uhr unter den kostenfreien Nummern (0800) 1110111 und (0800) 1110222.

DK