Ingolstadt
Tapferkeitsurkunden für Trennungskinder

Erziehungsberatung hat erstmals eine Gruppe in den Sommerferien angeboten – das hatte viele Vorteile

13.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:53 Uhr

Mit den Luftballons lassen die Trennungskinder ihre unerfüllbaren Wünsche los. Foto: Erziehungsberatung Ingolstadt

„Ich musste den anderen nicht erst erklären, dass meine Eltern getrennt sind – das war bei uns allen gleich.“ Das sagte ein Kind, das an einer Gruppe für Trennungskinder teilgenommen hat. Ein Angebot der Erziehungsberatung von Caritas und Diakonie in Ingolstadt.

Diese Gruppe mit sieben Kindern im Alter von acht bis elf Jahren fand erstmals im Block in der ersten Ferienwoche statt. Das hatte viele Vorteile: „Die Eltern wissen ihre Kinder eine Woche versorgt und beaufsichtigt. Die Kinder bekommen neben der therapeutischen Arbeit auch Verpflegung und Freizeitaktivitäten – und das in einer Zeit, in der die Familien nicht auch noch Schule, Hausaufgaben, Lernen und andere Termine parallel stemmen müssen“, erklärt Ulrike Foidl, Diplom-Psychologin und Leiterin der Erziehungsberatung.

Für die Familien war die Teilnahme einschließlich des Mittagessens im Caritas-Restaurant St. Alfons kostenfrei. Finanziert wurde das Angebot zum Teil aus Geldern des Sozialpreises des Rotary Clubs Ingolstadt, den die Erziehungsberatung im Mai dieses Jahres verliehen bekam. Das Preisgeld hatte 8400 Euro betragen. Therapeutische Arbeit und Freizeitaktivitäten gingen in der Woche Hand in Hand. In Gruppenarbeit wurden den Kindern die Gründe für die Trennung der Eltern verständlich gemacht. „Kinder sind nie schuld“, wurde ihnen gesagt. Mit einem „Luftballon-Ritual“ konnten die Mädchen und Buben Abschied von dem unerfüllbaren Wunsch nehmen, dass die Eltern sich wieder versöhnen.

Für jedes Kind wurde ein seiner Probleme entsprechender Lösungsansatz erarbeitet und ausprobiert – vor allem im Rollenspiel. Das eigens angefertigte „Stärkenplakat“ sensibilisierte die Kinder für ihre eigenen Leistungen und Fähigkeiten. Dafür, dass sie vieles bei der Trennung aushalten und leisten müssen, erhielten die Mädchen und Buben in der Gruppe als Anerkennung eine „Tapferkeitsurkunde“.

In der Freizeit spielten und bastelten die Kinder viel gemeinsam. Das Projekt war ein Erfolg: „Die Kinder zeigten sich begeistert von der Gruppe und würden sie anderen Kindern weiterempfehlen“, zieht die Diplom-Sozialpädagogin Vera Schoen eine positive Bilanz. Sie begleitete den Austausch der Kinder als Fachkraft. „Jeder konnte, wenn er wollte, ehrlich erzählen, wie es ihm mit der Trennung der Eltern erging, ohne Angst haben zu müssen, für seine Gefühle von den anderen ausgelacht zu werden“, sagt ein Kind. „Ganz im Gegenteil: Wir haben uns zugehört und unterstützt.“

Die Kinder wollen sich auch nach Beendigung der Feriengruppe weiterhin treffen, haben auch schon Telefonnummern ausgetauscht. Es sind auch Freundschaften entstanden. Die üblichen Trennungskindergruppen finden während der Schulzeit statt. Die Mädchen und Buben seien nach der Ganztagsschule oder dem Hort oft müde und müssten zudem noch Hausaufgaben erledigen oder lernen. Daher habe die Feriengruppe klare Vorteil. Ulrike Foidl stellt aufgrund der Pandemie deutlich mehr Fälle fest. Die Probleme in den Familien seien vielfältiger geworden. „Deutlich mehr Kinder und Jugendliche zeigen psychische Probleme und psychiatrische Auffälligkeiten wie Depressionen, Suizidgedanken oder soziale Ängste. Und deutlich mehr Eltern klagen über Überlastung und schaffen es nicht mehr so leicht, ihre Kinder regelmäßig zu Terminen zu bringen.“