stadtgeflüster
Die Vertreibung ins Internet

17.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:49 Uhr

(bo) Ich mag Bücher.

Nicht nur lesen. Nein, auch anfassen. Fühlen. Und riechen. Darum gehe ich gerne in Bibliotheken und Buchhandlungen. Lieber in Buchhandlungen. Denn eigentlich mag ich Bücher nicht so gerne ausleihen. Ich mag sie lieber besitzen. Wenn es gute Bücher sind. Und schöne. Und die Unterhaltung mit den Buchhändlern mag ich auch. Wenn gerade einer Zeit hat. Oder eine. Darum bestelle ich im Internet keine Bücher. Selten. Nur wenn's sein muss. Am schönsten ist es, wenn mein Wunschbuch in der Buchhandlung vorrätig ist. Und in einem der großen Regale schon auf mich wartet. So, dass ich es gleich mit nach Hause nehmen kann. Das geht nicht immer. Sehe ich ein. Na gut. Einen Tag kann ich warten. Das erhöht die Spannung. Macht das Ganze noch ein bisschen reizvoller. Hauptsache ich bekomme es überhaupt. Ohne Internet.

Wenn was mit meinem Auto ist, dann gehe ich in mein Autohaus. Oder ich rufe dort an. Dann erzähle ich mein Anliegen. Oder das, was gerade nicht funktioniert. In der Hoffnung, "dass ich geholfen werde". Wenn zum Beispiel das Gehäuse des Autoschlüssels Schaden genommen hat. Vom häufigen Drücken der "Öffne-dich-Funktion" der Kunststoff ausgebrochen ist. Okay. Das kann passieren. Bei einem Auto, das zehn Jahre auf dem Buckel hat. Außerdem, es geht auch anders. Man kann auch von Hand aufsperren. Hat man früher auch so gemacht. Auf Dauer ist es aber doch unbequem. Kann ja auch kein Problem sein, ein Ersatzgehäuse zu bestellen.

Wohlgemerkt, es geht nur um die einfache Kunststoffschale, die die Elektronik umhüllt. Die man in zwei Hälften teilen kann. Weil man ohnehin ab und zu die Batterie erneuern muss. Ist bestimmt in ein paar Tagen da. Für ein paar Euro. Ganz bestimmt. Und ohne Internet.
Am Ende gibt es keine Bücher aus der Buchhandlung. Und kein Ersatzgehäuse für den Autoschlüssel aus dem Autohaus. Bei den Büchern ist es so, dass das eine vergriffen, das andere noch nicht auf dem Markt ist. Sagen sie mir in der Buchhandlung. Zum Autoschlüssel sagt mir das eine Autohaus, dass sie so etwas nicht bestellen können. Das andere, dass man nur einen ganzen Schlüssel bestellen kann. Und der kostet dann an die 80 Euro.
Also doch das Internet. Die Bücher habe ich zwei Tage später. Beide. Das Gehäuse für den Autoschlüssel - am Freitag bestellt - am Montag. Für 8,99 Euro (inklusive Lederband). Dabei wollte ich eigentlich nichts im Internet bestellen. Mich lieber vertrauensvoll an den Einzel- beziehungsweise Fachhandel wenden. Aber die wollen mich nicht. Haben mich geradezu ins Internet vertrieben. Schade. Kann schon sein, dass ich es wieder mal nutze. Ist zwar unpersönlich. Aber zuverlässig.