stadtgeflüster
Ein Christian kommt nie allein

03.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr

(sic) 1996 erschreckte der Autor Wiglaf Droste die gebildete Öffentlichkeit mit einer selbst eingesungenen Liedersammlung.

Sie trug den Titel: "Wieso heißen plötzlich alle Oliver? " Im Refrain röhrt der nassforsche Ostwestfale: "Gibt es da ein geheimes Motiv? " Droste hatte allerdings nicht die standesamtliche Vor-namenstatistik der 1990er-Jahre vertont, sondern bezog sich auf die Oliver-Dichte seiner Generation, also auf in den sechziger Jahren geborene Westdeutsche. Damals schien es Olivers förmlich zu hageln. Und Uwes natürlich. Die schlugen ungefähr bis 1970 in den Geburtenregistern der Republik ein wie Tore von Uwe Seeler, der für viele Uwe-Werdungen das Vorbild gewesen sein dürfte (vergleichbar mit dem Boris-Boom ab 1985).

Um 1970 setzte das Zeitalter der Stefans, Markus', Thomas', Matthias' und Christians ein. Die Mädchen hießen alle Julia, Cornelia und Bettina; die Steffis kamen in den 80ern dank Steffi Graf schwarmartig übers Land. Einige Namen gerieten derart in Mode, dass viele Erziehungsbeauftragte fast den Überblick verloren. In einer 1979 in der Grundschule Gaimersheim eingeschulten Klasse ging die Lehrerin etwa dazu über, die Buben nur mit den Nachnamen aufzurufen, denn sie musste dort drei Christians, zwei Thomas' und vier Markus' unterrichten.

Der Siegeszug von Max und Marie setzte in den 90er Jahren ein und hat bis heute nichts von seiner generationenprägenden Wucht verloren. Namen aus der Urgroßelterngeneration kehren auch zurück, etwa der Friedrich, der Julius oder der Karl (gern mal mit C). Jaspers und Theos wurden auf Spielplätzen ebenfalls schon ausgemacht - so lassen allerdings eher Bildungsbürger ihre Kinder taufen, die damit etwas ausdrücken wollen. Doch es gibt auch Vornamen, die vermutlich keine Renaissance erleben werden (das ist zumindest im Interesse aller künftigen Kinder zu hoffen). Dazu zählen der Manfred und der Karl-Heinz.

Die Vornamenmode der 60er und 70er-Jahre schlägt jetzt in der Ingolstäder Lokalpolitik voll durch: Bisher haben drei Christians ihre Bereitschaft erklärt, bei der Kommunalwahl 2020 als Oberbürgermeisterkandidat ins Rennen zu gehen: Amtsinhaber Christian Lösel (CSU, geboren 1974), Christian Lange (BGI, geboren 1965) und Christian Scharpf (SPD, 47 Jahre alt). Sollte Lösel vorher entnervt hinwerfen (schuld wäre dann wohl Lange) und wieder sein Heil in der Steuerberatung suchen, wäre OB-Referent Christian Siebendritt natürlich ein geeigneter Nachrücker. Eigentlich müsste jetzt auch Grünen-Stadtrat Christian Höbusch (Jahrgang 1968) kandidieren - und sei es nur wegen des Namens. Den christian-freien Freien Wählern sei ein dezenter Namenszusatz bei einem ihrer kompetenten Männer empfohlen. Wie wäre es zum Beispiel mit Peter-Christian Springl?

In der DK-Redaktion gibt es übrigens fünf Christians. Die Kollegen Fahn, Missy, Rehberger, Silvester und Tamm werden bald ein Team aus Christian-Sonderberichterstattern bilden.