Mit dem Porsche zum Audi-Konzert

Stadtgeflüster

16.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:27 Uhr

(rh) In den goldenen Jahren der Audi-Sommerkonzerte, als der Erwerb eines Diesel-Autos noch kein unkalkulierbares Risikogeschäft war und die Musikmanager den Neuburger Kongregationssaal noch im Portfolio hatten, da nahm das Staunen im Publikum kein Ende: Jahr für Jahr gastierten hier Stars der klassischen Sängerelite, um in diesem wundervollen historischen Raum die hohe Kunst des Liedgesangs zu demonstrieren, während drunten im Donautal der Sonnentag sich dem Abend zuneigte.

So fuhr zum Beispiel die walisische Sopranistin Margaret Price im Juli 1994 im weißen Porsche vor, nein, nicht im Audi, eine stolze, von der Queen geadelte Erscheinung, deren imposante Körperfülle nur im ersten Moment ihrer zarten Mädchenstimme zu widersprechen schien. Im Kongregationssaal brillierte die berühmte Sängerin mit Schumann-Liedern, derweil warteten ihre beiden Golden Retriever im Hof neben dem Porsche routiniert auf das Ende der umjubelten Zugaben.

Der durchtrainierte Heldentenor Siegfried Jerusalem konnte es sich leisten, auf der Opernbühne bei passender Gelegenheit mit nacktem Oberkörper aufzutreten - was bei seinem Neuburger Liederabend 1990 natürlich nicht so schicklich gewesen wäre, zumal im Angesicht der Jungfrau Maria, die von den frommen Deckenfresken herabblickt. Als die international gefragte Mezzosopranistin Waltraud Meier - 1997 in Neuburg zu Gast - sich jetzt von den großen Opernrollen verabschiedete, verriet sie in einem TV-Porträt das eigentliche Geheimnis ihrer Weltkarriere: Hustenbonbons. Nie habe sie die Bühne zu betreten gewagt ohne ihre Spezialpastillen in Griffweite, und eins dieser Bonbons bot unter der Zunge die sichere Gewähr für die "geläufige Gurgel" der Diva, wie einst Mozart sich ausdrückte. Stimmbänder und Rachenraum bedürfen freilich nicht nur beim Sängerpersonal der Aufmerksamkeit und Pflege. Auch so mancher Musikfreund sollte die Entwicklung seiner chronischen Bronchitis genau im Auge behalten, bevor er sich endgültig zum Konzertbesuch aufmacht. Droht ihm doch bei Zuwiderhandlung selbst auf den besten Zuschauerplätzen ein Ausmaß an Feindseligkeiten, wie man es in diesem feinen Ambiente nicht erwarten würde.

Zugegeben, auch der Autor dieses Stadtgeflüsters hätte vor einer Woche in der Berliner Staatsoper, wo Webers "Freischütz" gegeben wurde, nicht übel Lust gehabt, eine der teuflischen Freikugeln aus dem Stück auf seine Sitznachbarin abzufeuern. Hatte doch die alte Dame ihre lauschende Umgebung eineinhalb Stunden mit periodischen Hustenanfällen gemartert. Zum Glück übernahm ein Berliner Stammgast diese undankbare Aufgabe und forderte den Quälgeist ("eine Zumutung!") ultimativ zum Verlassen des Saales auf. Nun endlich trat die Frau den Rückzug an - und auch auf der Bühne konnten die Jägerburschen fortan wieder ungestört ihrem musikalischen Weidwerk nachgehen.