STADTGEFLÜSTER
Rättätä! Rättätä! Umpf, umpf, umpf

09.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:30 Uhr

(sic) Die Welt ist schlecht.

Im Krieg erst recht. Und es gibt keinerlei Hoffnung, dass das Gute je obsiegen wird. Man kann aber zumindest bescheidene Besserungen im Militärischen melden. Die Entwicklung vom Skalpieren eines Feindes hin zur Ordensverleihung etwa dürfe mithin als Erfolg gelten, schreibt Wolf Schneider in seinem Buch "Der Soldat". Er führt aus: "Das Medaillenwesen ist also die Folge oder wenigstens das Kennzeichen eines Kulturfortschritts, der darin bestand, dass die Beraubung und Verstümmelung des toten Gegners unterblieb. "

Das Bayerische Armeemuseum in Ingolstadt hat über die Jahrzehnte so viele Orden angehäuft, dass man daraus vermutlich zehn Panzer gießen könnte. Oder einen halben Zerstörer. Skalps sind in der Sammlung des Hauses bisher nicht gefunden worden. Allerdings hält sich zäh das Gerücht, dass in den Tiefen des Neuen Schlosses ein eingerahmtes menschliches Ohr liege, das vor 100 Jahren angeblich ein Soldat von einem Ostfeldzug mitgebracht habe. Das Armeemuseum dementiert dies heftig; vermutlich handelt es sich nur um eine moderne Sage. Wobei: Wirklich überraschen täte das nicht. Denn in den Depots des Hauses lagern - verbürgt! - noch ganz andere gruselige Dinge.

Seit gut vier Wochen begrüßt das Armeemuseum seine Besucher mit einem neuen, schicken Entree. Der verlagerte Kassenbereich samt Shop ist mit dem Feldkirchner Tor im Schloss eröffnet worden. Das bietet jedoch - abgesehen von der Sonderausstellung "Im Visier des Fotografen. Alte Waffen in neuem Licht" - noch weitgehende Leere, weil 2014 die militärische Dauerausstellung zwecks Modernisierung ausgeräumt worden ist. Das tat auch Not. Schon in den 1990er-Jahren witzelten viele Ingolstädter Schüler bei Museumsbesichtigungen über den 1950er-Jahre-Charme des Gebotenen, etwa die noch mit der Schreibmaschine getippten Informationstafeln in vielen Sälen oder museumspädagogisch-vollmundige Beschriftungen à la "Hellebarde, spanisch, 16. Jahrhundert".

Jetzt marschiert das Museum endlich ins 21. Jahrhundert ein! Ein Kultobjekt des Haues ist dabei leider auf der Strecke geblieben: Jahrzehntelang stand an der Kasse ein verbeulter Karton voller alter Platten mit Marschmusik. Die sahen aus, als hätten sie schon den einen oder anderen deutschen Ostfeldzug beschallt. Mit dicker Frakturschrift auf den Covern, dazu Bajonette und Reichsadler en masse. Allein schon der Anblick der betagten Tonträger zauberte Betrachtern ein zackiges "Rättätä! Rättätä! Umpf. Umpf. Umpf. " ins Ohr.

Doch wo sind die Dinger hin? Alle Marschmusikplatten abverkauft? Kaum vorstellbar. Hat sie der Verfassungsschutz sichergestellt? Aber woher soll der wissen, was bedenklich ist und was nicht? Oder lagern sie beim Verein der Freunde des Armeemuseums im Partykeller? Wer weiß, wo die LPs sind, bekommt zum Dank eine von Erzherzog Rupprecht von Bayern handsignierte Single mit dem "Armeemarsch II" ("Preußens Gloria").