stadtgeflüster
Links ist, wo der Daumen rechts ist

24.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:21 Uhr

(rh) Ein Mann, dem der Ruf vorauseilt, er habe zwei linke Hände beim Umgang mit Hammer und Bohrmaschine, hat es im Leben nur selten zu etwas gebracht.

Er kann bestenfalls noch Privatdozent für interdisziplinäre Hermeneutik, Taktiktrainer beim FC Ingolstadt oder eventuell DK-Lokalredakteur werden. Mehr ist nicht drin. So nimmt es auch nicht wunder, dass von pädagogischer Seite das Linkshändertum noch bis in die jüngste Vergangenheit drakonisch unterbunden wurde. Wer in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Schule seinen Füllfederhalter - das war so ein länglicher Gegenstand, den man ganz ohne Passwort benutzen konnte - in die linke Hand nahm oder gar links zu schreiben ansetzte, hatte vom Lehrkörper heftiges Einschreiten zu gewärtigen. Zum Schreiben war gefälligst die Rechte da und sonst keine. Basta.

Die Vorbehalte gegen links wurzeln tief. Wenn jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden ist, kann das eigentlich nur der linke gewesen sein. Auch hinsichtlich der politischen Ausrichtung genießt die Linke ein recht zweifelhaftes Ansehen. Wenn zwei so herausragende Denker wie Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt die gesamte Medienszene für links unterwandert halten, entspricht dies dem höchsten Grad an Verachtung, den die beiden CSU-Herren gegenüber der Journaille zum Ausdruck bringen können. Konsequenterweise hat man in Sachsen-Anhalt eine Landtagskommission gegen Linksextremismus eingesetzt und an deren Spitze den AfD-Mann Poggenburg berufen, der durch seine differenzierte Wortwahl ("Kameltreiber") auffällig wurde.

Sogar in der Ingolstädter Verkehrspolitik findet die Diskriminierung der Linksausleger ihre Fortsetzung. So galt es bislang als offizielle Doktrin der städtischen Tiefbauer, dass der heikle Knotenpunkt an der Theodor-Heuss-/Nürnberger Straße auch nach dem Bau des geplanten Schneller Weges ohne Tunnel halbwegs funktionieren könnte. Aber links abbiegen von dieser Kreuzung in Richtung Innenstadt? Das geht gar nicht mehr, wenn nicht alles zusammenbrechen und das ganze Nordostviertel im Chaos versinken soll. Doch der Nordosten wird leben! Tiefbauamtschef Walter Hoferer eröffnete unlängst dem DK, dass man von diesem Bannfluch über die Linksabbieger bis auf Weiteres lieber absehen will.